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Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn von Ludwig Quidde (1894)

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In der Reihe von Herrschertypen, bei denen von eigentlicher Geisteskrankheit nicht die Rede ist, begegnen wir deshalb ja so oft Persönlichkeiten, die sich andauernd auf gewissen Gebieten jämmerlich bloßstellen, zum Teil weil in ihrer Stellung der Zwang und der Trieb liegt, überall hervorzutreten, zum Teil weil die Umgebung sie in dem Glauben erhält, daß sie etwas Geniales und gewaltig Imponierendes leisten, auch wo die mildesten aufrichtigen Beurteiler bedenklich den Kopf schütteln.

Ein Gebiet, auf dem Caligula mit Vorliebe zu glänzen suchte, war die Beredsamkeit; er sprach gern und viel öffentlich, und es wird uns berichtet, daß er auch ein gewisses Talent dafür besaß (43), daß insbesondere ihm die Kunst, zu verletzen und zu schmähen, eigen war. Mit Vorliebe wandte er sich gegen die Koryphäen der Litteratur. Manches beißende Wort gegen sie soll ihm nicht schlecht gelungen sein. Doch ging sein unverständiger Fanatismus so weit, daß er klassische Autoren, wie Homer, Virgil und Livius, am liebsten aus allen Bibliotheken verbannt hätte (44) .

Dabei scheint er doch Citate aus den verhaßten Autoren manchmal gern in epigrammatisch zugespitzten Worten benutzt zu haben, um seine eigene Stellung zu bezeichnen. So herrschte er seine Gäste einstmals mit dem berühmten Verse des Homer an: Einer sei Herrscher, Einer nur König! (45) Am berühmtesten geworden ist sein Lieblingscitat (46) aus einem Tragiker „Oderint, dum metuant" d. h. mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten, wohl die zugespitzteste Äußerung seiner cäsaristischen Auffassung der Beziehungen zwischen Regenten und Volk.

* * *

Die Freude an rücksichtsloser Gewaltthätigkeit, die sich in dem häufigen Gebrauch dieses Wortes gleichsam als obersten Leitmotives seiner Regierungspraxis ausspricht, beherrschte seine Stellung zu allen Verhältnissen des öffentlichen Lebens.

Sehen wir zunächst selbst von positiver Grausamkeit noch ab, so ist es ja typisch für diese Art von Cäsaren, daß fast ihr vornehmstes Interesse, wie bei Caligula, darin besteht, jedermann ihre Macht fühlen zu lassen, daß sie nichts mehr aufbringt, als die Empfindung, Grenzen dieser Macht anzutreffen, und daß sie als wirksamstes Mittel, um jeden Widerstand ihrer Unterthanen im Keime zu ersticken, die Verbreitung von Furcht und Schrecken betrachten. Bramarbasierend pflegen sie, gleich Caligula, die Drohung, daß jedermann ihre Macht fühlen solle, in unzähligen Varianten im Munde zu führen. Das wiederholt sich öfter in der römischen Kaisergeschichte, und auch sonst giebt es Beispiele genug. Selbst so geniale Cäsaren-Naturen wie Napoleon sind davon nicht frei. Glücklich das Volk, wenn solche Herrscher durch die Macht der äußeren Verhältnisse genötigt sind, sich mit bloßen Drohungen zu begnügen und nicht wie Caligula zu Thaten übergehen können.


(43) Sueton 53. Dio Cassius 59, 28.
(44) Sueton 34.
(45) Sueton 22. — Vergl. auch das Citat aus Virgil, Sueton 45.
(46) Sueton 30.

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