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Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn von Ludwig Quidde (1894)

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Zum zweiten Male kehrt hier der phantastische Gedanke einer Bezwingung des Weltmeeres wieder. Der junge Kaiser scheint eine ganz besondere, an sich sympathische, nur auch wieder ins Krankhafte verzerrte Vorliebe für die See gehabt zu haben. Wir erwähnten schon die besonders prunkhafte Ausstattung seiner Yachten. Wiederholt hören wir, daß er kleine und große Seereisen unternahm, und auch in der Schönheit des Sturmes scheint er das Meer aufgesucht zu haben. Für seine Umgebung muß diese Passion recht unbequem gewesen sein; denn er scheint rücksichtslos verlangt zu haben, daß alle seine Vorliebe teilten, und dem armen Silanus, der einmal bei stürmischem Wetter zurückgeblieben war, ist seine Furcht vor Seekrankheit zum Verderben geworden, da Caligula, damals schon ganz in blindem Mißtrauen blutig wütend, andere Motive dahinter vermutete (37) .

* * *

In dem Manöver- und Soldatenspiel Caligulas, das wir kennen gelernt haben, in seinen Disziplin-Marotten und in den Triumphzügen liegt offenbar ein komödiantischer Zug, der für das pathologische Bild des Cäsarenwahnsinns charakteristisch ist. Er beschränkt sich bei Caligula nicht auf militärische Komödien. Wir hören von seiner ungemessenen Passion für Theater und Cirkus, — und mehr als das: wir hören, wie er selbst gelegentlich mitzuagieren begann, wie ihn eine absonderliche Vorliebe für auffallende Kleidung und deren fortwährenden Wechsel beherrschte (38), wie diese Vermummungsspielerei dahin ausartete, daß er sich in den Masken der verschiedenen Gottheiten (Götter und auch Göttinnen!) gefiel (39) — ein Zug, auf den wir in anderem Zusammenhange noch zurückkommen — wie er ferner seine eigenen mimischen Künste bewundern ließ, z. B. nachts Senatoren aus ihren Betten aufschreckte, nur um ihnen vorzutanzen (40); es wird uns berichtet, daß er öffentlich als Cirkuskämpfer, wie später Nero, auftrat (41) und sogar, wie später Commodus, als Gladiator (42), also in einer Rolle, die damals den Fluch sozialer Ächtung auf den unglücklichen Träger herabzuziehen pflegte.

Es kommt bei diesem komödiantischen Zuge des Cäsarenwahnsinns wohl zweierlei zusammen, erstens eine krankhaft-phantastische Anlage, gleichsam die stehen gebliebene Neigung des Kindes, seine Phantasiegebilde mit der realen Welt zu verschmelzen, eine Neigung, die sich unter Verhältnissen am besten halten kann, wo an Stelle einfacher Natürlichkeit schon so viel verschrobenes Komödienspiel, so viel Fiktionen herrschend sind, wie an einem Kaiserhofe, und dann zweitens das Bedürfnis, überall und auf jedem Gebiete zu glänzen, ein Bedürfnis, das ebenfalls durch die eigenartige Stellung des absoluten Herrschers krankhaft genährt wird.


(37) Sueton 23.
(38) Sueton 52. Dio Cassius 59, 26.
(39) Sueton 22.
(40) Sueton 54.
(41) Sueton 54.
(42) Dio Cassius 59, 5. — Vergl. Sueton 32.

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