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Kaiser Wilhelm II: „Hunnenrede” (1900)

Wilhelm II. hielt diese Rede im Juli 1900 in Bremerhaven vor den deutschen Truppen, die zur Niederschlagung des Boxeraufstandes nach China entsendet wurden. Die Ansprache ist ein klarer Beleg für die scharfe, stark nationalistisch gefärbte Sprache des Kaisers und betont seine Vision der deutschen Großmachtstellung. Es existierten zwei Fassungen der Rede. Das Auswärtige Amt stellte bei Überarbeitung der Originalversion sicher, dass einer der letzten Absätze gestrichen wurde, da man befürchtete, dass die darin enthaltenen provozierenden Bemerkungen diplomatischen Anstoß erregen könnten. Die entstandene „offizielle“ Version ist hier veröffentlicht, wobei die umstrittene Passage jedoch am Ende beigefügt ist.

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Bremerhaven, 27. Juli 1900

"Große überseeische Aufgaben sind es, die dem neu entstandenen Deutschen Reiche zugefallen sind, Aufgaben weit größer, als viele Meiner Landsleute es erwartet haben. Das Deutsche Reich hat seinem Charakter nach die Verpflichtung, seinen Bürgern, wofern diese im Ausland bedrängt werden, beizustehen. Die Aufgaben, welche das alte Römische Reich deutscher Nation nicht hat lösen können, ist das neue Deutsche Reich in der Lage zu lösen. Das Mittel, das ihm dies ermöglicht, ist unser Heer.

In dreißigjähriger treuer Friedensarbeit ist es herangebildet worden nach den Grundsätzen Meines verewigten Großvaters. Auch ihr habt eure Ausbildung nach diesen Grundsätzen erhalten und sollt nun vor dem Feinde die Probe ablegen, ob sie sich bei euch bewährt haben. Eure Kameraden von der Marine haben diese Probe bereits bestanden, sie haben euch gezeigt, daß die Grundsätze unserer Ausbildung gute sind, und Ich bin stolz auf das Lob auch aus Munde auswärtiger Führer, das eure Kameraden draußen sich erworben haben. An euch ist es, es ihnen gleich zu tun.

Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre uralte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freundlichen Ertragen von Leiden, möge Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel.

Ihr wißt es wohl, ihr sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut bewaffneten, grausamen Feind. Kommt ihr an ihn, so wißt: Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Wahrt Manneszucht. Der Segen Gottes sei mit euch, die Gebete eines ganzen Volkes, Meine Wünsche begleiten euch, jeden einzelnen. Öffnet der Kultur den Weg ein für allemal! Nun könnt ihr reisen! Adieu Kameraden!"


Die inoffizielle, aber korrekte Version der entscheidenden Textpassage lautete wie folgt:

"Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!"



Quelle: Johannes Penzler, Hg., Die Reden Kaiser Wilhelms II. Bd. 2: 1896-1900. Leipzig o.J., S. 209-12.

Abdruck der inoffiziellen Version in Manfred Görtemaker: Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien. Opladen, 1996. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 274, S. 357.

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