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Reichsgesetz über die Presse (7. Mai 1874)

Das Reichspressegesetz von 1874 bedeutete den Höhepunkt der Bemühungen der Liberalen, die Fesseln der Zensur abzuwerfen, die nach den Revolutionen von 1848/49 eingerichtet worden waren. Dieses Gesetz war einer der wichtigsten Teile der während der Bismarckzeit verabschiedeten liberalisierenden Gesetzgebung und blieb in der Weimarer Republik und, nach der Unterbrechung in der Nazizeit, auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland weiterhin in Kraft. Das Gesetz erklärte die Pressefreiheit, wenngleich jene Freiheit nicht absolut war. Zensur war verboten, doch ein Herausgeber blieb strafrechtlich vor Gericht haftbar für das, was in seiner Zeitung oder seiner Zeitschrift erschien. Herausgeber verbüßten häufig Gefängnisstrafen für Majestätsbeleidigung. Da die Pressefreiheit von Gesetzes wegen garantiert war – und nicht durch die Verfassung –, konnte sie vom Parlament eingeschränkt oder aufgehoben werden. So fand sich beispielsweise eine Mehrheit der Reichstagsabgeordneten bereit, in der Zeit des Sozialistengesetzes (1878-1890) alle sozialdemokratischen Zeitungen und andere „subversive“ Druckschriften zu verbieten.

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Reichsgesetz über die Presse (7. Mai 1847)*


I. Einleitende Bestimmungen

§ 1. Die Freiheit der Presse unterliegt nur denjenigen Beschränkungen, welche durch das gegenwärtige Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen sind.

§ 2. Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, sowie auf alle anderen, durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift, und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen.

Was im Folgenden von „Druckschriften“ verordnet ist, gilt für alle vorstehend bezeichneten Erzeugnisse.

§ 3. Als Verbreitung einer Druckschrift im Sinne dieses Gesetzes gilt auch das Anschlagen, Ausstellen oder Auslegen derselben an Orten, wo sie der Kenntnißnahme durch das Publikum zugänglich ist.

§ 4. Eine Entziehung der Befugniß zum selbständigen Betriebe irgend eines Preßgewerbes oder sonst zur Herausgabe und zum Vertriebe von Druckschriften kann weder im administrativen, noch im richterlichen Wege stattfinden.

Im Uebrigen sind für den Betrieb der Preßgewerbe die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend.

§ 5. Die nicht gewerbsmäßige öffentliche Verbreitung von Druckschriften kann durch die Ortspolizeibehörde denjenigen Personen verboten werden, welchen nach § 57 der Gewerbeordnung ein Legitimationsschein versagt werden darf.

Zuwiderhandlungen gegen ein solches Verbot werden nach § 148 der Gewerbeordnung bestraft.



* In der Bundesrepublik trat das Gesetz , nachdem alle Bundesländer ihr eigenes Presserecht geschaffen hatten, am 1. Juli 1966 außer Kraft. [Alle Fußnoten stammen aus: Ernst Rudolf Huber, Hg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851-1900. Stuttgart: Kohlhammer, 1986, S. 455-60.]

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