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Deutschland und die UNO (7. Juli 2005)

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Deutschland ist aber auch zu einem der größten Truppensteller geworden. Bundeswehrsoldaten stehen in Afghanistan, im Kosovo und in Bosnien; sie waren an Friedensmissionen in Kambodscha, Somalia und am Persischen Golf beteiligt. Wichtiger noch: Die deutsche Diplomatie hat in jüngerer Zeit zumeist eine konstruktive Rolle gespielt. Sie hat für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestritten; sie hat sich für eine Intervention in der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur eingesetzt. Bürgerrechtler und Menschenrechtsgruppen bescheinigen Berlin, glaubwürdig und uneigennützig gehandelt zu haben.

Multilaterales Handeln ist heute Axiom aller deutschen Außenpolitik. Berlin hätte auf die Kandidatur sofort verzichtet, gäbe es die geringste Aussicht, dass Franzosen und Briten ihren ständigen Sitz zugunsten einer EU-Vertretung aufgeben könnten. Nur, die gibt es nicht. Dennoch hat die Bundesregierung noch einmal bekräftigt: Wir räumen unseren Sitz in dem Augenblick, in dem die EU im Sicherheitsrat mit einer Stimme sprechen will und sprechen kann.

Eine Interessenkollision sehen die europäischen Partner in der Berliner Kandidatur jedenfalls nicht. Allein Italien fühlt sich in seinem Stolz verletzt und organisiert mit anderen (Pakistan, Argentinien, Südkorea) im New Yorker »Coffee Club« den Widerstand gegen die G4. Frankreich und Polen hingegen, unsere wichtigsten Nachbarn, unterstützen den deutschen Wunsch. Sie werden die Resolution zur Erweiterung des Sicherheitsrates als Ko-Sponsoren mit einbringen.

Ein Vetorecht übrigens, dass die bisherigen »ständigen Fünf« so eifersüchtig verteidigen, beanspruchen die vier nicht. Und das nicht nur, weil sie es ohnehin nicht bekommen würden. Das Veto ist so anachronistisch wie die jetzige Zusammensetzung des Rats, die nur eine einzige Rechtfertigung hat: Die Supermacht Amerika an Bord zu halten, die sich einem Mehrheitsvotum nie unterwerfen würde (siehe Irak), ohne die aber zugleich die Weltorganisation handlungsunfähig bliebe.

Deutschland hat, wie Japan, jahrzehntelang ein Glück im stillen Winkel genossen. Die Erwartungen an das wiedervereinigte Deutschland aber sind gewachsen, wir können uns nicht mehr wegdrücken wie zu Zeiten der Blockkonfrontation.

Seit die Welt nicht mehr in Ost und West geschieden ist, wächst dem Sicherheitsrat immer größere Bedeutung zu. Er tagt heute praktisch in Permanenz als eine Art globales Krisenzentrum. Wer die Vereinten Nationen stärken will, wer sie in die Lage versetzen möchte, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, der muss hoffen, dass Deutschland bald seinen Sitz als ständiges Mitglied einnimmt – gemeinsam mit Brasilien, Indien, Japan und vielleicht Südafrika und Ägypten. Erst dann wäre dieser »Welt«-Sicherheitsrat in der Gegenwart angekommen.

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