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Bundespräsident Johannes Rau ruft zu mehr Toleranz gegenüber Einwanderern auf (12. Mai 2000)

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Wenn Rechtsextreme stolz von „national befreiten Zonen“ sprechen, dann ist das ein Alarmsignal für Rechtsstaat und Demokratie und ein Grund zur Scham für alle wirklichen Patrioten.

Für Rassismus und rassistische Gewalt gibt es Gründe und Erklärungen, aber nichts kann sie rechtfertigen. Wer Gewalt anwendet, gehört bestraft – je schneller, desto besser.

Ich will das alte Argument vom Ansehen Deutschlands in der Welt nicht hervorholen. Gewiss ist wichtig, wie wir von außen gesehen werden. Wir sind es uns aber in erster Linie selber schuldig, dass Fremdenfeindlichkeit geächtet wird.


VII.

Wenn wir über Zuwanderung und Integration sprechen, dann ist es nicht nur legitim, sondern wichtig, dass wir auch an unsere eigenen Interessen denken.

Wer zu uns nach Deutschland kommt, der muss die demokratisch festgelegten Regeln akzeptieren. Sie sind Grundlage unseres Zusammenlebens. Diese Regeln sind auf Integration angelegt und nicht auf Ausgrenzung. Sie bieten genügend Raum für kulturelle Vielfalt. Sie sichern die Freiheit des Glaubens und die Rechte von Minderheiten.

Diese Regeln setzen aber auch Grenzen, die niemand unter Hinweis auf seine Herkunft oder seine religiöse Überzeugung außer Kraft setzen darf.

Ein wichtiges Beispiel sind dafür das Recht und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Jeder muss wissen, dass wir es nicht dulden, wenn Frauen aus traditionellen oder kulturellen Gründen nur mindere Rechte haben sollen.

Alle müssen sich an die Regeln halten, die sich unsere Gesellschaft gegeben hat: Zugewanderte und Einheimische.

Integration kommt nicht von allein. Man muss etwas dafür tun. Das ist oft anstrengend.

Wir dürfen diese neue Anstrengung nicht missverstehen als einen mildtätigen Akt, mit dem wir Ausländern einen Gefallen tun. Wenn wir etwas für bessere Integration tun, dann tun wir das nicht nur aus Mitmenschlichkeit oder christlicher Nächstenliebe, sondern in unserem aufgeklärten Eigeninteresse.

Es ist viel darüber geredet worden, ob wir eine „multikulturelle Gesellschaft“ sind oder sein sollen. Ich sage dazu nur: Wir sind jedenfalls eine kulturell vielfältige Gesellschaft. Die unterschiedlichen Kulturen leben aber oft mehr nebeneinander als miteinander. Das geht dann gut, wenn Vielfalt nicht mit Beliebigkeit verwechselt wird und wenn wir uns darin einig sind, dass eine Gesellschaft keine Addition von Minderheiten ist.

Wir brauchen eine gemeinsame Vorstellung davon, wie wir in Deutschland zusammen leben wollen. Wir brauchen klare Grundwerte, die unser Handeln gemeinsam binden.

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