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Johann Gottlieb Fichte, „Reden an die deutsche Nation” (1807/08)

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In wem nun jene höheren Anforderungen an das Leben, nebst dem Gefühle ihres göttlichen Rechts, dennoch lebendig und kräftig bleiben, der fühlt mit tiefem Unwillen sich zurückgedrängt in jene ersten Zeiten des Christenthums, zu denen gesagt ist: „Ihr sollt nicht widerstreben dem Uebel, sondern, so dir jemand einen Streich giebt auf den rechten Bakken, dem biete den andern auch dar, und so jemand deinen Rok nehmen will, dem laß auch den Mantel;“ mit Recht das lezte, denn so lange er noch einen Mantel an dir sieht, sucht er einen Handel an dich, um dir auch diesen zu nehmen, erst wie du ganz nakkend bist, entgehst du seiner Aufmerksamkeit und hast vor ihm Ruhe. Eben sein höherer Sinn, der ihn ehrt, macht ihm die Erde zur Hölle, und zum Ekel, er wünscht, nicht geboren zu seyn, er wünscht, daß sein Auge je eher je lieber sich dem Anblicke des Tages verschließe, unversiegbare Trauer bis an das Grab erfaßt seine Tage; dem, was ihm lieb ist, kann er keine bessere Gabe wünschen, denn einen dumpfen, und genügsamen Sinn, damit es mit weniger Schmerz einem ewigen Leben jenseits des Grabes entgegen lebe.

Diese Vernichtung jeder etwa ins künftige unter uns ausbrechenden edlern Regung, und diese Heruntersetzung unsrer ganzen Nation, durch das einzige, nachdem die andern vergeblich angewendet worden sind, noch übrig bleibende Mittel zu verhindern, tragen Ihnen diese Reden an. Sie tragen Ihnen an die wahre und allmächtige Vaterlandsliebe, in der Erfassung unsers Volks als eines ewigen, und als Bürgen unsrer eignen Ewigkeit, durch die Erziehung in aller Gemüther recht tief, und unauslöschlich zu begründen. Welche Erziehung dies vermöge, und auf welche Weise, werden wir in den folgenden Reden ersehen.




Quelle: J. G. Fichte, Gesamtausgabe Werkeband 10. Stuttgart-Bad Cannstatt: F. Frommann, 1988-2000, S.183-212.

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