GHDI logo

Johann Gottlieb Fichte, „Reden an die deutsche Nation” (1807/08)

Seite 7 von 13    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


So ist es. Die Liebe, die wahrhaftig Liebe sey, und nicht bloß eine vorübergehende Begehrlichkeit, haftet nie auf vergänglichem, sondern sie erwacht, und entzündet sich, und ruht allein in dem ewigen. Nicht einmal sich selbst vermag der Mensch zu lieben, es sey denn, daß er sich als ewiges erfasse; außerdem vermag er sich sogar nicht zu achten, noch zu billigen. Noch weniger vermag er etwas außer sich zu lieben, außer also, daß er es aufnehme in die Ewigkeit seines Glaubens und seines Gemüths, und es anknüpfe an diese. Wer nicht zuförderst sich als ewig erblikt, der hat überhaupt keine Liebe, und kann auch nicht lieben ein Vaterland, dergleichen es für ihn nicht giebt. Wer zwar vielleicht sein unsichtbares Leben, nicht aber eben also sein sichtbares Leben, als ewig erblikt, der mag wohl einen Himmel haben, und in diesem sein Vaterland, aber hienieden hat er kein Vaterland, denn auch dieses wird nur unter dem Bilde der Ewigkeit, und zwar der sichtbaren, und versinnlichten Ewigkeit erblikt, und er vermag daher auch nicht sein Vaterland zu lieben. Ist einem solchen keins überliefert worden, so ist er zu beklagen; wem Eins überliefert worden ist, und in wessen Gemüthe Himmel und Erde, unsichtbares, und sichtbares sich durchdringen, und so erst einen wahren und gediegenen Himmel erschaffen, der kämpft bis auf den lezten Blutstropfen, um den theuren Besitz ungeschmälert wiederum zu überliefern an die Folgezeit.

So ist es auch von jeher gewesen, ohnerachtet es nicht von jeher mit dieser Allgemeinheit, und mit dieser Klarheit ausgesprochen worden. Was begeisterte die edlen unter den Römern, deren Gesinnungen und Denkweise noch in ihren Denkmalen unter uns leben, und athmen, zu Mühen und Aufopferungen, zum Dulden und Tragen fürs Vaterland? Sie sprechen es selbst oft und deutlich aus. Ihr fester Glaube war es an die ewige Fortdauer ihrer Roma, und ihre zuversichtliche Aussicht, in dieser Ewigkeit selber ewig mit fortzuleben im Strome der Zeit. Inwiefern dieser Glaube Grund hatte, und sie selbst, wenn sie in sich selber vollkommen klar gewesen wären, denselben gefaßt haben würden, hat er sie auch nicht getäuscht. Bis auf diesen Tag lebet das, was wirklich ewig war in ihrer ewigen Roma, und sie mit demselben, in unsrer Mitte fort, und wird in seinen Folgen fortleben bis ans Ende der Tage.

Volk und Vaterland in dieser Bedeutung, als Träger, und Unterpfand der irdischen Ewigkeit, und als dasjenige, was hienieden ewig seyn kann, liegt weit hinaus über den Staat, im gewöhnlichen Sinne des Worts, – über die gesellschaftliche Ordnung, wie dieselbe im bloßen klaren Begriffe erfaßt, und nach Anleitung dieses Begriffs errichtet und erhalten wird. Dieser will gewisses Recht, innerlichen Frieden, und daß jeder durch Fleiß seinen Unterhalt, und die Fristung seines sinnlichen Daseyns finde, so lange Gott sie ihm gewähren will. Dieses alles ist nur Mittel, Bedingung, und Gerüst dessen, was die Vaterlandsliebe eigentlich will, des Ausblühens des ewigen, und göttlichen in der Welt, immer reiner, vollkommner und getroffener im unendlichen Fortgange. Eben darum muß diese Vaterlandsliebe den Staat selbst regieren, als durchaus oberste, lezte, und unabhängige Behörde, zuförderst, indem sie ihn beschränkt in der Wahl der Mittel für seinen nächsten Zwek, den innerlichen Frieden. Für diesen Zwek muß freilich die natürliche Freiheit des Einzelnen auf mancherlei Weise beschränkt werden, und wenn man gar keine andere Rüksicht und Absicht mit ihnen hätte, denn diese, so würde man wohl thun, dieselbe so eng, als immer möglich, zu beschränken, alle ihre Regungen unter eine einförmige Regel zu bringen, und sie unter immerwährender Aufsicht zu erhalten. Gesezt diese Strenge wäre nicht nöthig, so könnte sie wenigstens für diesen alleinigen Zwek nicht schaden. Nur die höhere Ansicht des Menschengeschlechts, und der Völker, erweitert diese beschränkte Berechnung. Freiheit, auch in den Regungen des äußerlichen Lebens, ist der Boden, in welchem die höhere Bildung keimt; eine Gesezgebung, welche diese leztere im Auge behält, wird der ersteren einen möglichst ausgebreiteten Kreis lassen, selber auf die Gefahr hin, daß ein geringerer Grad der einförmigen Ruhe und Stille erfolge, und daß das Regieren ein wenig schwerer, und mühsamer werde.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite