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Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

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Am 17. Dezember wurden 200 jüdische Jungen aus der Slowakei, die als sogenanntes Sonderkommando bei der Vergasung und der Verbrennung der Leichen gearbeitet haben, in Birkenau hingerichtet. Die Hinrichtung erfolgte wegen vorbereiteter Meuterung und Fluchtversuch, welches Vorhaben frühzeitig durch einen Juden verraten wurde. Das Kommando wurde durch 200 polnische Juden, die soeben mit einem Transport aus Makow eintrafen, abgelöst. Unter den Hingerichteten befanden sich:

Alexander Weiss, Trnava
Fero Wagner Trnava
Scheiner Oskar, Trnava
Wetzler, Dezider Trnava
Aladar Spitzer, Trnava
Vojtech Weiss, Trnava

Durch den hierdurch eingetretenen Wechsel beim Sonderkommando haben wir den direkten Kontakt mit dieser "Arbeitsstelle" verloren, was sich insbesondere auf unsere Versorgung sehr schlecht auswirkte. Die Transporte welche nach dem Birkenwald gebracht wurden, - wenn sie auch ihr Gepäck in Auschwitz lassen mussten - brachten ganz beträchliche Summen Geldes in Valuten, vorwiegend Papier- und Golddollars, eine Unmenge von Gold und Edelsteinen, ferner auch Lebensmittel mit sich. Obwohl die Wertsachen selbstverständlich abzuführen waren, konnte es doch nicht vermieden werden, dass nicht einige Wertgegenstände (hauptsächlich Golddollars) bei der Durchsuchung der zurückgelassenen Kleider der Vergasten in die Taschen unserer Burschen verschwinden sollen.

Sie brachten auf diese Art beträchtliche Mittel in das Lager, ausserdem auch Lebensmittel. Man konnte wohl für Geld im Lager offiziell nichts kaufen, man konnte jedoch mit den SS-Leuten und sonstigen Zivilarbeitern, die bei verschiedenen Facharbeiten im Lagergebiet verwendet wurden und Gelegenheit hatten, etwas Lebensmittel und Zigaretten mitzubringen, Geschäfte machen. Die Preise waren selbstverständlich den Umständen gemessen, ganz abnormal. Für einige hundert Zigaretten wurde eine 20 Dollar-Goldmünze gezahlt. Auch der Tauschhandel florierte. Die Teuerung spielte aber bei uns keine Rolle, Geld hatten wir, soviel wir nur wollten. Auch Kleidungsstücke erhielten wir durch das Sonderkommando. Wir konnten unsere Fetzen durch die guten Kleider der zur Vergasung Gelangten austauschen. Der Rock, den ich noch heute anhabe, gehörte einem holländischen Juden (im Innern desselben ist tatsächlich das Firmenzeichen eines Amsterdamer Schneiders angebracht).

Die Leute des Sonderkommandos wohnten abgesondert. Man hatte mit ihnen auch schon wegen des fürchterlichen Geruchs, der von ihnen ausging, wenig Verkehr. Sie waren immer dreckig, ganz verwahrlost, waren ganz verwildert und ungemein brutal und rücksichtslos. Es war nicht selten - es galt übrigens auch bei den anderen Häftlingen als Sensation - dass der Eine den Anderen einfach erschlug. Das Erschlagen eines Häftlings ist kein Delikt. Es wird einfach registriert, dass Nr. so-und-soviel gestorben ist. Auf welche Art jemand in das Jenseits befördert wird, ist ganz nebensächlich. Einmal habe ich zugesehen, wie ein junger polnischer Jude namens Jossel einem SS-Mann gegenüber das "fachmännische Morden" an einem Juden vordemonstrierte, indem er den Juden mit der Hand, ohne irgendeine Waffe zu benützen, ermordete.

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