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Die Daily-Telegraph-Affäre (28. Oktober 1908)

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Aber, werden Sie fragen, was ist mit der deutschen Flotte? Sicherlich ist sie eine Drohung für England! Gegen wen anders als gegen England werden meine Geschwader gerüstet? Wenn die Deutschen, die sich anstrengen, eine mächtige Flotte zu schaffen, nicht an England denken, warum wird von Deutschland verlangt, daß es in solche neue und schwere Steuerlasten willigt? Meine Antwort ist klar. Deutschland ist ein junges, wachsendes Reich. Es hat einen weltweiten, schnell sich ausdehnenden Handel, und der berechtigte Ehrgeiz der patriotischen Deutschen weigert sich, diesem irgendwelche Grenzen zu setzen. Deutschland muss eine mächtige Flotte haben, um diesen Handel und seine manigfaltigen Interessen auch in den entferntesten Meeren zu schützen. Es erwartet, daß diese Interessen sich noch ausbreiten, und muss fähig sein, sie in jedem Teil des Erdballs männlich zu verteidigen. Deutschlands schaut vorwärts. Seine Horizonte erstrecken sich in die Weite. Es muß für alle Eventualitäten im Fernen Osten gerüstet sein. Wer kann voraussehen, was in kommenden Tagen im Stillen Ozean geschehen kann, in Tagen die nicht so fern sind, wie manche glauben, Tagen jedoch, auf die jedenfalls alle europäischen Mächte mit Interessen im Fernen Osten ständig sich vorbereiten sollten? Blicken Sie auf den vollzogenen Aufstieg Japans; denken Sie an die Möglichkeit des nationalen Erwachsens von China; und dann erwägen Sie die ungeheueren Probleme des Stillen Ozeans. Nur die Stimme derjenigen Mächte, die große Flotten haben, wird mit Achtung gehört werden, wenn die Frage der Zukunft des Stillen Ozeans zu lösen sein wird; und deshalb allein muß Deutschland eine starke Flotte haben. Vielleicht wird England sogar froh sein, dass Deutschland eine Flotte hat, wenn sie gemeinsam auf derselben Seite in den großen Debatten der Zukunft ihre Stimme erheben.« [ . . . ]



Quelle: Bernhard Fürst von Bülow, Denkwürdigkeiten. Bd. 2. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. Herausgegeben von Franz von Stockmann. Berlin: Ullstein, 1930. [Ohne Pagina.]

Abgedruckt in Rüdiger vom Bruch und Björn Hofmeister, Hg., Kaiserreich und Erster Weltkrieg 1871-1918. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Hrsg. von Rainer A. Müller, Band 8. Stuttgart: P. Reclam, 2000. S. 305-09.

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