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1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?
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1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

David Hansemann (1790-1864) war Woll-Großhändler und Finanzier in Aachen sowie ein Führer der liberalen Opposition gegen die autoritäre Herrschaft des preußischen Königs. In dem hier wiedergegebenen Brief an den preußischen Innenminister, Ernst von Bodelschwingh, vom 1. März 1848 zeichnete Hansemann ein dramatisches Bild der Folgen von mehr als drei Jahrzehnten absolutistischer Herrschaft – gerade nachdem eine Revolution den König von Frankreich vom Thron gefegt hatte und in Paris eine Republik ausgerufen worden war, und nur wenige Wochen, bevor die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 auch Deutschland erreichten.

Die meisten Befürworter einer verfassungsmäßigen Regierung in Deutschland gingen davon aus, dass eine solche Regierung eine konstitutionelle Monarchie sein werde. Oberhaupt des Staates sollte ein König oder ein anderer Fürst sein, dessen Machtbefugnisse auf einer Verfassung beruhten – Machtbefugnisse, die zwar immer noch weitreichend, jedoch sicherlich geringer als die eines absoluten Monarchen sein sollten. Der Ruf nach einer republikanischen Verfassungsform war am lautesten während der Revolution von 1848 zu vernehmen. Carl Schurz (1829-1906) war in den Jahren 1848/49 Student an der Bonner Universität und ein demokratischer und republikanischer Aktivist. (Nach der Niederschlagung der Revolution floh er in die Vereinigten Staaten, wo er für die Sklavenbefreiung eintrat, in der neu gegründeten Republikanischen Partei aktiv wurde, als General der Union im Bürgerkrieg diente und unter Präsident Hayes zum Innenminister ernannt wurde.) In seinen Anfang des 20. Jahrhunderts verfassten Memoiren beschreibt er die Ereignisse, die ihn von einem Befürworter einer konstitutionellen Monarchie zu einem Republikaner werden ließen.

Als Folge der 1848er Revolution setzte sich die konstitutionelle Regierungsform zunehmend in Mitteleuropa durch, und selbst Konservative akzeptierten nun eine derartige Form der Regierung. In seiner 1853 vor dem Parlament des preußischen Königreichs gehaltenen Rede erläuterte Friedrich Julius Stahl (1802-1861), konservativer Staatsdenker und Professor für Rechtswissenschaft an der Universität in Berlin, warum er gegen die Abschaffung der während der Revolution von 1848 eingeführten preußischen Verfassung war. Stahl, dessen Ideen einen beträchtlichen Einfluss auf Bismarck hatten, argumentierte in seiner Rede, dass eine Verfassung die Macht und die Autorität des preußischen Königs durchaus stärken werde, anstatt sie zu verringern, wie es die Verteidiger einer autoritären Regierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befürchtet hatten.

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