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1. Die Lage im Jahre 1945
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Überblick   |   1. Die Lage im Jahre 1945   |   2. Wirtschaft und Politik in den beiden deutschen Staaten   |   3. Die Rekonstituierung der deutschen Gesellschaft   |   4. Kultur   |   Empfehlungen zur weiterführenden deutschen Literatur   |   Empfehlungen zur weiterführenden englischen Literatur

Auf diesen Treffen war es relativ leicht, die „negativen” Kriegsziele zu formulieren, d.h., dass Deutschland entnazifiziert, entmilitarisiert und seine Industrien entkartellisiert und entflochten werden sollten. Es erwies sich als schwieriger, darüber zu einem Konsens zu kommen, was mit dem Land positiv geschehen sollte. Sollte Deutschland als eine wirtschaftliche und politische Einheit behandelt oder in kleinere Teile zerlegt werden? Sollten seine Grenzen dauerhaft verschoben werden? Unter welcher politischen und wirtschaftlichen Verfassung sollten die Deutschen leben und damit verbunden: wie sollte die Demokratisierung bewirkt werden, die so gut wie alle befürworteten?

Angesichts dieser Schwierigkeiten einigten sich die „Großen Drei“ lediglich darauf, Besatzungszonen zu errichten und alle Fragen, die die äußere und innere Gestalt des Landes betrafen, auf ein späteres Datum zu verschieben. Das Bild wurde zusätzlich dadurch komplizierter, dass die „Großen Drei“ sich darauf verständigten, den Franzosen im Südwesten eine eigene Besatzungszone zuzugestehen. Diese wurden damit Teilhaber einer Viermächtekontrolle, die auf der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 ratifiziert wurde. Berlin, das mitten in der sowjetischen Zone lag, wurde in vier Sektoren aufgeteilt und unter gemeinsame Alliierte Kontrolle gestellt.

Während einige Politiker und Bürokraten im Westen weiterhin hofften, dass das Bündnis mit der Sowjetunion über die Niederlage der Achsenmächte hinaus bestehen bleiben würde, wurde bald klar, dass die Ziele der beiden neuen Supermächte der Nachkriegswelt unvereinbar waren. Ideologische und strukturelle Unterschiede waren die Wurzel der Ost-West-Spaltung, die nun einsetzte. Der amerikanische Kapitalismus und die Grundprinzipien des amerikanischen politischen Systems konnten einfach nicht mit den Axiomen einer hochzentralisierten kommunistischen Planwirtschaft und der stalinistischen „Diktatur des Proletariats” in Einklang gebracht werden.

Einige Wissenschaftler haben argumentiert, dass der Antagonismus zwischen dem Westen und dem bolschewistischen Russland bereits seit 1917 bestanden habe, als Lenin die Macht ergriff und seine „Neue Ordnung” durchsetzte. Trotzdem kam 1941 das Bündnis zustande und die alten Spannungen brachen erst 1945/46 erneut durch. Die Konfrontation zwischen den beiden Supermächten verschärfte sich, und beide Seiten beschlossen, ihre jeweiligen Territorialgewinne zu konsolidieren. Diese Gewinne waren das Ergebnis der Weigerung Hitlers, den Kampf einzustellen, als die Alliierten Truppen deutschen Boden erreichten. So kam es, dass Europa in zwei Blöcke aufgeteilt wurde. Die Grenze – die bald als Eiserner Vorhang bezeichnet wurde – verlief mitten durch Deutschland entlang der Grenze zwischen der sowjetischen Zone einerseits und der britischen im Norden und der amerikanischen im Süden andererseits (siehe Karte mit Zoneneinteilung).

Was den Ost-West-Konflikt nach 1947 weiter so stark verschärfte, dass er gar in einen tatsächlichen Krieg umzuschlagen drohte, war die wachsende Wahrnehmung einer gegenseitigen Bedrohung. Im Westen glaubte man, Stalins Russland sei auf Expansion ausgerichtet und entschlossen, das übrige Europa westlich des Eisernen Vorhangs militärisch zu erobern. Um dieser Bedrohung zu begegnen, begann der Westen eine Politik der Eindämmung zu verfolgen, die 1949 schließlich in der Gründung der NATO als einem sehr engen militärischen Schutzbündnis gipfelte. Dies sollte das machtpolitische Gegengewicht gegen die vermuteten Angriffspläne des sowjetischen Diktators sein. Umgekehrt betrachtete Stalin die Vereinigten Staaten als eine kapitalistisch-imperialistische Macht, die ihr eigenes politisches und Wirtschaftssystem nach Osten ausdehnen wolle. Die Folge war eine Vertiefung der Ost-West-Teilung entlang des Eisernen Vorhangs und die allmähliche Errichtung zweier, sich feindlich gegenüberstehender deutscher Staaten. Bis zum Jahre 1949 war aus den drei Westzonen ein neuer Staat, die Bundesrepublik Deutschland, entstanden, während die Sowjetzone zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) umgestaltet wurde.



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