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Adolph Menzel, Studio Wall [Atelierwand] (1872)

Diese Nachtansicht einer Wand in Menzels Atelier in der Ritterstraße verkörpert eine sehr persönliche Betrachtung über Leben, Tod, Jugend und Eros. Die dargestellten Objekte schaffen, zusammen mit ihrer Ausführung, eine Atmosphäre, die in ihrer Wirkung auf den Betrachter unheimlich und beunruhigend ist, ja beinahe etwas Instinkthaftes hat. Das Gemälde führt den Blick scharf aufwärts zu einer Reihe von Gipsabgüssen, die in einem grellen, künstlichen Licht beleuchtet sind. Die Intensität der Lichtquelle lässt die abgetrennten, bruchstückhaften Formen der Gesichter und Körper hervortreten, besonders den weiblichen Rumpf in der Mitte. Man hat argumentiert, dass Menzel, ein erklärter Junggeselle, den nackten Torso dieser kopflosen Gipsform verwendete, um der Intimität mit dem anderen Geschlecht zu entsagen. Anderen bildhaften Gegenständen kommt ähnlich gewichtige Bedeutung zu: Beispielsweise wurde die Totenmaske, die unmittelbar links des Torsos hängt, zu Ehren von Menzels Freund Friedrich Eggers gemalt, der am 11. August 1872 starb. Allgemeiner betrachtet erinnert die gespensterhafte Natur all dieser Gussformen an die ausgeschlachteten Rüstungen, die Menzel im Winter 1866-67 kurz nach Vollendung einer anstrengenden Phase schöpferischer Arbeit im Zeughaus des königlichen Schlosses malte. In der Atelierwand präsentiert Menzel weder ein beliebiges Nebeneinander von Objekten noch ein allegorisches Schema, sondern vermittelt stattdessen das eindringliche, kurzlebige Wesen von grundlegenden Aspekten der menschlichen Existenz. Im Oktober 1872, dem in der Ecke dieses Gemäldes eingetragenen Datum, hatte Menzel bereits die Arbeit am Eisenwalzwerk (1875 vollendet) aufgenommen.

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Adolph Menzel, <I>Studio Wall</i> [<I>Atelierwand</i>] (1872)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Original: Hamburg, Hamburger Kunsthalle