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Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik (2. Dezember 1959)

1959 kommt die Reform des Schulsystems der DDR nach sozialistischen Grundsätzen zu einem vorläufigen Abschluß. Die Anfang der fünfziger Jahre eingeführten zehnklassigen Schulen bilden in Zukunft als „allgemeinbildende polytechnische Oberschulen“ den Kern des Schulsystems. Ihr Abschluß qualifiziert in erster Linie für eine Berufsausbildung, kann aber durch weiteren Schulbesuch auch zum Abitur führen. Daneben gibt es die „erweiterte allgemeinbildende polytechnische Oberschule“ mit zwölf Schuljahren, die das bisherige deutsche Gymnasium ersetzt und direkt zur Hochschulreife führt. Während in der DDR ein mindestens zehnjähriger Schulbesuch aller Jugendlichen gesetzlich vorgesehen ist, endet in der Bundesrepublik zur selben Zeit die Schulpflicht noch je nach Bundesland nach acht bis neun Jahren.

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Die Schule hat eine große Bedeutung für die gesellschaftliche Erziehung und Bildung der Menschen. In Deutschland besteht schon seit über einem Jahrhundert die Schulpflicht. Aber in der Vergangenheit bis 1945 diente die Schule nicht den Interessen des Volkes. Sie war eine Standesschule und schloß die Kinder der Werktätigen von der höheren Bildung aus.

Die demokratische Einheitsschule verwirklichte zum ersten Mal in der deutschen Geschichte auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und im demokratischen Berlin die Forderungen der sozialistischen Arbeiterbewegung und aller fortschrittlichen Kräfte nach einer einheitlichen Schule und nach gleichen Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder des Volkes in Stadt und Land. Damit wurden die fortschrittlichen Ideen solcher großen Pädagogen wie Comenius, Pestalozzi, Diesterweg und Wander erfüllt und weiterentwickelt.

Diese erfolgreiche Entwicklung des Schulwesens war nur möglich, weil in der Deutschen Demokratischen Republik die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern und den anderen demokratischen Kräften des Volkes die Macht ausübt.

Die Volkskammer beschließt daher:

I.
Die allgemeinbildende Schule in der Deutschen Demokratischen Republik, ihr Charakter und ihre Aufgaben

§ 1
(1) Die allgemeinbildende Schule für alle Kinder in der Deutschen Demokratischen Republik ist die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, im folgenden Oberschule genannt. Für diese Schule besteht allgemeine Schulpflicht.

(2) Die Oberschule ist bis zum Herbst des Jahres 1964 planmäßig und schrittweise, den ökonomischen Bedingungen und Perspektiven in den einzelnen Bezirken und Kreisen entsprechend, aufzubauen.

§ 2
(1) Die schulische Erziehung und Bildung der Jugend ist ausschließlich Angelegenheit des Staates.

(2) Es besteht Schulgeldfreiheit.

§ 3
(1) Bildung und Erziehung in der sozialistischen Schule sind eng mit der produktiven Arbeit und der Praxis des sozialistischen Aufbaus zu verbinden. Die Schule hat die Jugend auf das Leben und die Arbeit im Sozialismus vorzubereiten, sie zu allseitig polytechnisch gebildeten Menschen zu erziehen und ein hohes Bildungsniveau zu sichern. Sie erzieht die Kinder und Jugendlichen zur Solidarität und zu kollektivem Handeln, zur Liebe zur Arbeit und zu den arbeitenden Menschen und entwickelt alle ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten zum Wohle des Volkes und der Nation.

(2) Die Schule hat dafür zu sorgen, daß alle Schüler das Bildungs- und Erziehungsziel der sozialistischen Schule erreichen. Sie muß dabei besonders sorgfältig und planmäßig die Arbeiter- und Bauernkinder fördern und ausbilden. Die Kinder berufstätiger Mütter müssen wirksame Unterstützung und Hilfe erhalten.

(3) Die Schule auf dem Lande hat die besondere Aufgabe, junge Menschen heranzubilden, die an der sozialistischen Umgestaltung des Dorfes und damit an der allmählichen Beseitigung der wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land aktiv teilnehmen können. Die Jugend muß durch die Schule befähigt werden, in der sich auf dem Dorfe entwickelnden sozialistischen Großproduktion erfolgreich tätig zu sein.

§ 4
(1) Die polytechnische Bildung und Erziehung ist Grundzug und Bestandteil des Unterrichts und der Erziehung in allen Schuljahren. Entsprechend dem Alter der Kinder ist der Unterricht mit gesellschaftlich-nützlicher Tätigkeit bzw. mit produktiver Arbeit zu verbinden. Im Mittelpunkt des polytechnischen Unterrichts steht in den unteren Klassen der Werkunterricht und von der Klasse 7 ab der Unterricht in der sozialistischen Produktion.

(2) Der Unterricht ist nach dem staatlichen Lehrplan zu erteilen, der Wissenschaftlichkeit und Systematik des Unterrichts gewährleisten muß. Im Unterricht ist von den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft auszugehen, die Verbindung von Theorie und Praxis zu sichern und eine fortschrittliche Unterrichtsmethodik anzuwenden, die auf der Aktivität und Selbsttätigkeit der Schüler beruht und sie fördert. Die Einhaltung der Regeln der Schulhygiene und die Erziehung zu einer gesunden Lebensweise müssen zum festen Bestandteil der Arbeit der Schule werden.

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