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Der Schulerfolg von Negermischlingen in Deutschland. Studie des Instituts für natur- und geisteswissenschaftliche Anthropologie (1956)

Zwischen 1945 und 1955 werden in Westdeutschland zehntausende von Besatzungskindern geboren, die aus sexuellen Beziehungen zwischen deutschen Frauen und ausländischen Besatzungssoldaten hervorgehen. Mitte der fünfziger Jahre widmet sich das Berliner Institut für Natur- und Geisteswissenschaftliche Anthropologie in einer ausführlichen Untersuchung den „Negermischlingen“ unter den Besatzungskindern, deren Väter afroamerikanische GI’s sind und die in der Regel allein bei der Mutter oder deren Familie aufwachsen. Der Bericht kommt zu dem Schluß, daß die schulischen Leistungen dieser Kinder sich nicht wesentlich von denen ihrer Mitschüler unterscheiden und die „Rassenmischung“ demnach keine negativen Folgen zeigt, unterstellt aber zugleich eine Reihe spezifisch „negrider“ Charaktermerkmale wie erhöhtes Temperament, Spontanität, körperliche Gewandtheit usw. Staatliche Stellen im Schulbereich bemühten sich um eine gezielte Sensibilisierung von Lehrern, Eltern und Mitschülern, so daß die Kinder offener Diskriminierung bisher nicht ausgesetzt gewesen sind.

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1. Einführung

Im ersten Bericht der „Studien aus dem Institut für natur- und geisteswissenschaftliche Anthropologie“ ist der Versuch gemacht worden, ein Bild der geistigen und körperlichen Entwicklung der farbigen Besatzungskinder in Berlin zu geben. Diese Untersuchung liegt nun vier Jahre zurück. Inzwischen ist der größte Teil der Kinder, auf die jene Ausführungen sich stützten, eingeschult worden. Die ältesten, die damals im fünften Lebensjahr standen, besuchen die Schule bereits seit zwei bis drei Jahren. Da es mit Hilfe des Hauptschulamtes möglich war, den Lebensweg dieser Kinder weiter zu verfolgen, soll nunmehr ein zweiter Bericht das gewonnene Bild vervollständigen. Dabei muß mit besonderem Dank der Geduld und Bereitwilligkeit von Behörden und Lehrern gedacht werden, die allein es ermöglicht haben, daß mosaikartig Steinchen um Steinchen zusammengetragen werden konnte.

In dem Aufsatz von 1952 galt es vor allem festzustellen, in welcher Form das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt die Kinder prägte. Der gegenwärtige Bericht dagegen soll die Frage in den Mittelpunkt stellen, wie der Mischling sich in seiner menschlichen Umwelt zurechtfindet, was er unter sozialem Aspekt innerhalb der einmal gegebenen Gesellschaft zu leisten und zu werden vermag. Dabei muß man sich freilich der Tatsache bewußt bleiben, daß aktives und passives Moment sich in der Soziologie nicht trennen lassen. Das Leben bewältigen und vom Leben geprägt werden – das stellt eine Wechselbeziehung dar. Es kann also die Frage, in welcher Form ihre Umgebung den Mischlingen entgegentritt, nicht umgangen werden.

Seit dem Erscheinen des ersten Berichtes hat die deutsche Sektion der World Brotherhood, Frankfurt am Main, sich des Problems der farbigen Mischlingskinder in besonderem Maße angenommen und ihre Erfahrungen publiziert (H. Ebeling). Es ist diese dankenswerte Materialsammlung im Folgenden mitverwertet worden.

Um das Bild über den Lebensumkreis des Kindesalters hinaus abzurunden, sind schließlich Erfahrungen an Negermischlingen im Alter zwischen zwölf und zwanzig Jahren herangezogen worden. Eine Stadt wie Berlin liefert die Gelegenheit dazu. So kann man sagen, daß die ganze Zeitspanne der Einpassung des jungen Menschen ins Dasein einer Betrachtung unterworfen worden ist.

2. Vorbemerkung

Der entscheidende Faktor im Leben des Mischlings ist das „Klima“ der öffentlichen Meinung, in das er hineingeboren wird, d. h. die derzeitige Einschätzung der Rassenfrage überhaupt. Damit soll nicht gesagt werden, daß das Mischlingsproblem allein ein soziologisches Problem ist; der erste Bericht hatte die Aufgabe, die biologische Seite des Komplexes zu beleuchten. Es scheint aber, daß der biologische Aspekt lange Zeit hindurch überbetont worden ist. Man weiß, daß diese Überbetonung das soziologische Problem der Rassenmischung unter Umständen erst schafft oder mindestens verschärft. [ . . . ]

Hält man nun dagegen die Situation der Negermischlinge in Deutschland (Westdeutschland und Westberlin), so ergibt sich folgendes Bild. Zunächst einmal: ihre Zahl ist verhältnismäßig klein. Sieht man einmal von den Einzelfällen ab, in denen es vor 1945 zu Verbindungen zwischen weißen Frauen und Farbigen kam, beschränkt man sich also auf die Besatzungskinder, die einen Neger oder Negermischling zum Vater haben, so darf die Zahl 4000 als ungefähr treffend angesehen werden. Was sie auszeichnet, ist ihre Herkunft von Besatzungsangehörigen und der Umstand, daß ihnen diese Tatsache anzusehen ist – im Gegensatz zu den rund 90 000 übrigen Besatzungskindern von weißen Soldaten. Die Haltung ihrer Umwelt ist also nicht nur durch ihre rassische Andersartigkeit bestimmt, sondern auch durch die herrschende Einstellung zur Besatzungsmacht und den Mädchen und Frauen, die sich mit einem fremden Soldaten einlassen. Hiervon übrigens hängt auch wieder weitgehend ab, was für Frauen (der sozialen Herkunft und der charakterlichen Haltung nach) mit einem Besatzungsangehörigen Beziehungen unterhalten – und damit ein wichtiger Milieufaktor. Natürlich hängt von den Veranlagungen der Mütter auch der erbliche Status der Mischlingskinder ab.

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