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Wilhelm Pieck, „An die Heimkehrer” (1946)

Zu den zahlreichen Maßnahmen der Unterstützung der SED durch die Sowjetunion gehört ab Juli 1946 auch die Entlassung eines Teils der deutschen Kriegsgefangenen in die sowjetische Zone. Der SED-Funktionär Wilhelm Pieck hält ihnen bei seiner Begrüßung zunächst die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und den verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Zustand Deutschlands in der Gegenwart vor Augen. Danach wirbt er für die Unterstützung des als antifaschistisch und auf den Wiederaufbau gerichtet charakterisierten Programms der SED bei den Kommunalwahlen im September 1946.

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An die Heimkehrer!


Kameraden! Freunde!

Ich grüße Euch bei Eurer langersehnten Rückkehr in die Heimat im Namen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die entstanden ist aus der Einigung der sozialdemokratischen und kommunistischen Partei. Damit wurde die verhängnisvolle Spaltung der Arbeiterschaft überwunden und die Einheit der Arbeiterbewegung hergestellt. Leider trifft das vorläufig nur auf die sowjetische Besatzungszone zu und nicht auf den übrigen Teil Deutschlands. Aber das wird noch kommen.

Es ist der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des großen Entgegenkommens der sowjetischen Militärverwaltung zuzuschreiben, daß es uns gelungen ist, die ersten großen Heimkehrertransporte herbeizuführen. 120 000 Kriegsgefangene sollen vorläufig aus der Sowjet-Union in die Heimat zurückkehren. Wir werden uns weiter darum bemühen, dass auch die übrigen recht bald die Gelegenheit dazu haben. Ich freue mich mit Euch, dass Ihr nicht noch lange in Quarantänelagern festgehalten werdet, sondern so schnell wie möglich zu Euren Angehörigen in die Heimat kommt.

Mit dem Eintritt in das Lager Gronenfelde seid Ihr wieder freie Menschen. Ich wünsche, daß Ihr Eure Angehörigen, Eure Frauen und Kinder, Eure Eltern und Geschwister gesund wiederfindet. Wir werden von der Partei alles tun, um Euch bei der Überwindung von vorhandenen Schwierigkeiten behilflich zu sein. Unsere Parteiorganisationen sind überall darauf eingerichtet, Euch und Euren Angehörigen zu helfen, so gut es geht. Ich wünsche Euch bei der Heimkehr alles Gute für die nächste Zeit. Wir haben unseren Organisationen die Anweisungen gegeben, bei den Behörden dahin zu wirken, daß die Heimkehrer bevorzugt polizeilich angemeldet, ihre Lebensmittelkarten und sonstige Hilfe erhalten. Es wird gewiß noch mancherlei Mängel geben, aber Ihr müßt zupacken, um sie abzustellen.

Ihr kommt zu einer Zeit zurück, wo unser Volk vor wichtigen politischen Entscheidungen steht. Zum erstenmal seit 13 Jahren finden wieder freie Wahlen zu den Gemeindevertretungen statt. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat sich bei der SMA darum bemüht, und auch erreicht, daß Euch als Heimkehrer das volle Wahlrecht zusteht. Es obliegt Euch die Pflicht, ernsthaft zu prüfen, welcher Partei Ihr Eure Stimme geben werdet. Viele von Euch werden vielleicht sagen; laßt uns mit der Politik zufrieden, wir haben genügend schlechte Erfahrungen damit gemacht. Das stimmt gewiß, aber jetzt steht eine sehr große Aufgabe vor unserem Volk. Jetzt soll es entscheiden, was mit Deutschland geschehen soll, wie unsere Wirtschaft aufgebaut, wie unsere Gemeinden, unser Staat demokratisch ausgebaut, wie unser Volk selbst Garantien für den Frieden, für die Demokratie, für die Einheit Deutschlands schaffen soll.

Die Gemeindewahlen sind dafür von großer Bedeutung. Es kommt darauf an, feste demokratische Mehrheiten zu schaffen, und die Arbeiterschaft muß die Führung dieser Mehrheiten übernehmen. Dafür ist die SED die zuverlässigste von allen übrigen Parteien. Sie muß deshalb auch in den Parlamenten zur stärksten Partei werden. Die SED beansprucht keineswegs ein Parteimonopol, aber sie übernimmt die große Verantwortung für die demokratische Neugestaltung Deutschlands.

Ihr findet bei Eurer Rückkehr ein anderes Deutschland vor. Viele von Euch werden ihre alten Wohnhäuser, ihre Arbeitsstätten, nur noch als Trümmerhaufen wiederfinden. Es ist ein ungeheures Elend, das von der Hitlerregierung mit ihrem Krieg über unser Volk gebracht wurde. Schon als längst klar vor aller Welt stand, daß der Krieg verloren war, wurde er von der Hitlerbande immer weiter fortgesetzt, der letzte Soldat, das letzte Haus sollte diesem Wahnsinn geopfert werden.

So hat Hitler unsere Heimat in einen Trümmerhaufen verwandelt. Millionen deutscher Menschen sind von der Hitlerregierung auf den Schlachtfeldern und in der Heimat in den Tod getrieben worden [ . . . ]. Unsere Kinder und Frauen sind unterernährt, unsere Wirtschaft deformiert. Eine ungeheure Schuldenlast ist unserem Volke aufgebürdet, alle Sparkassen- und Versicherungsgelder sind in diesem Kriege verpulvert worden.

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