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„Lastenausgleich heißt Vermögensausgleich!” (1948)

Ende der vierziger Jahre werden in Westdeutschland Modelle diskutiert, einen Lastenausgleich zwischen schwer und weniger schwer vom Krieg getroffenen Deutschen nicht durch die Beschlagnahmung und Neuverteilung des vorhandenen Vermögens durchzuführen, sondern durch Ausgleichszahlungen aus der zukünftigen Wirtschaftsproduktion. Der Kommentar der Zeitschrift Leuchtturm wendet sich gegen dieses Konzept und appelliert an diejenigen, die den Krieg verursacht haben, die Verantwortung dafür zu übernehmen anstatt kommende Generationen mit den Folgen zu belasten.

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Lastenausgleich heißt Vermögensausgleich!


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Der Krieg hat viel gekostet. Es war ein Wahnsinn, und alle zusammen, die ganze Schicksalsgemeinschaft des Volkes muß ihn endlich bei Heller und Pfennig abrechnen und bezahlen, damit wenigstens in Zukunft nicht so bald wieder ein paar Wahnsinnige in Versuchung kommen, mutwillig einen Krieg vom Zaune zu brechen in der sicheren Erwartung, daß ja doch auf keinen Fall sie selbst, sondern letzten Endes die breite Masse zu bezahlen haben wird. Wenn uns daher der vergangene Krieg 80 % unseres Volksvermögens gekostet haben sollte, dann muß eben jeder mit 80 % seines Vermögens zu seiner Kostendeckung beitragen. Nur ein allgemeiner, gerechter Vermögensausgleich im Rahmen der Konkursmasse Deutschland kann daher der wahre Sinn eines Lastenausgleiches sein. Gerade das aber sei ‹volkswirtschaftlich› untragbar, wird behauptet. Den Beweis für diese Behauptung allerdings bleibt man lieber einfach schuldig.

Gewiß, wenn man darauf bestehen will, das Problem nach kapitalistischen Rezepten wie bisher immer schon in der Geschichte einfach durch Überwälzung auf andere, diesmal durch Überwälzung auf den zukünftigen Ertrag der Volkswirtschaft zu lösen, um die eigene Substanz für sich zu retten, dann ist das Problem selbstverständlich unlösbar, dann können nur Brosamen abfallen und Almosen, kümmerliche Renten, Linsengerichte. Wer gibt aber im übrigen den belasteten Sachwertbesitzern das Recht, über die Verteilung der künftigen Produktion einfach zu verfügen? Darum Hände weg von der künftigen Produktion. [ . . . ] Die künftige Produktion gehört jenen allein, die sie künftig erarbeiten werden. Wir haben kein Recht, zur Verwirklichung eines Lastenausgleichs etwa gar eine künftige Generation zu belasten. Die Kosten des Krieges müssen jetzt und ohne alle Winkelzüge von den Lebenden übernommen werden. Nur der Feigling und der Lump drückt sich um die Verantwortung, die jeder im Schicksalsgefüge der Nation irgendwie mitzutragen nun einmal gehalten ist.

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In die Enge getrieben glauben nun manche Vertreter des «Besitzes», den notwendigen Lastenausgleich als Kommunismus abtun zu können. Mit aller Deutlichkeit muß hier vor solchen armseligen Diskussionsmethoden gewarnt werden, um so mehr wenn es Christen sind, die sie anwenden, beleidigen sie doch auf solche Art in unerhörter Weise die Päpste, in deren bewunderten Sozialrundschreiben auch der Lastenausgleich seine Rechtfertigung findet. Der Lastenausgleich zerstört nicht das Privateigentum, sondern festigt es im Gegenteil erst wieder. Die Päpste verlangen aber nicht Bewunderung, sondern Taten gerade von den Christen, um durch eine rechtzeitige Sozialreform vielleicht doch noch den Sturm aus dem Osten aufzuhalten. Nicht der Lastenausgleich ist Kommunismus. Mit Sicherheit ruft aber seine Torpedierung Verzweiflung und Kommunismus ins Land, der ja bisher nur deshalb in Westdeutschland nicht Fuß fassen konnte, weil allzuviele gerade der härtest Betroffenen, der Ostflüchtlinge, ihn in seiner echtesten Gestalt nur zu gut kennenlernen mußten. Man täusche sich aber nicht: Nur um den Preis eines gerechten, allgemeinen Vermögensausgleichs als der endgültigen Kostenabrechnung des Krieges, dessen theoretische Berechtigung unbestritten ist, ist er auf die Dauer fernzuhalten. Er ist eine Forderung strikter Verkehrsgerechtigkeit ebensosehr wie echten Christentums und eines wahren Sozialismus.

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Quelle: „Lastenausgleich heißt Vermögensausgleich!“, Der Leuchtturm, 1948, Nr. 5, S. 66f; abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945-1990. Texte und Dokumente zur Sozialgeschichte. München: C.H. Beck, 1993, S. 106-07.

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