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Aus dem Bericht eines Wohnungseinweisers in Bielefeld: Probleme der Umquartierung aus Flüchtlingslagern in beschlagnahmte Wohnräume (1946)

Zu den größten sozialen Problemen in der Nachkriegszeit in Deutschland gehört die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum. Die deutschen Behörden weisen Flüchtlinge in überzählige Räume in unzerstörten Wohnungen und Häusern ein. Dort sind sie häufig den Schikanen der Vermieter ausgesetzt, die vorhandene Ressourcen nicht teilen wollen, wie der Bericht des Flüchtlingswohnungsamtes in Bielefeld 1946 zeigt.

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Die Flüchtlinge finden heute oftmals einen fast oder ganz leeren Raum vor. Daß sie auf dem Fußboden schlafen müssen, ihre geringe Habe nirgends unterbringen können, nehmen sie mit Bitternis hin. Aber womit sich kaum jemand abfinden kann ist, daß man ihm nicht einmal das Kochen gestatten will. Gesetzt den Fall, es ist keine Küchenbenutzung vorgesehen, so wäre es dennoch eine moralische Pflicht des Vermieters, den Flüchtling die Zubereitung seiner kärglichen Mahlzeiten in der Küche vornehmen zu lassen, wenigstens solange, bis ein eigener Herd zur Verfügung steht. Was soll der Flüchtling denn tun? Kein Ofen, kein Herd, kein Brennmaterial. In die Volksküche gehen? Vielleicht mit einem Säugling auf dem Arm von der Sonderburgerstraße bis in die Stadt marschieren? Der Einweiser dringt auf Mitbenutzung der Küche. Man läßt sich im Moment darauf ein, und kurze Zeit später sitzen die Flüchtlinge in der 55-er-Kaserne und bitten um Umquartierung, weil sie vom Vermieter wieder aus der Küche verwiesen worden sind. Der Vermieter sagt dazu: Der Flüchtling verbraucht zuviel Gas und was der Dinge mehr sind.



Quelle: Probleme der Umquartierung aus Flüchtlingslagern in beschlagnahmte Wohnräume, Auszug aus dem Bericht eines Wohnungseinweisers in Bielefeld, 1946; Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 103,2/Hauptamt, Nr. 232; abgedruckt in Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung: Deutsche Geschichte 1945-1955. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986, S. 358-59

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