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Protestantischer Widerstand – Der Schmalkaldische Bund (1531/35)

Seit dem Bauernkrieg hatten die evangelischen Fürsten und Städte erwogen, ein militärisches Verteidigungsbündnis zu schließen, um sich vor der gewaltsamen Umsetzung des Wormser Edikts, welches ihre Religion verbot, zu schützen. Anfängliche Bemühungen scheiterten nicht nur am Widerstand der wichtigsten süddeutschen Städte, sondern vor allem an der Spaltung innerhalb der evangelischen Partei zwischen den Anhängern Luthers und denen Zwinglis in der Frage des Abendmahls. Doch am 19. April 1529 fanden die Stände tatsächlich zusammen, um gegen die Entscheidung des Reichstages von Speyer zur Ausführung des Wormser Edikts zu protestieren, und es war diese Versammlung, die den Begriff „Protestanten“ prägte. Dennoch verhinderte der innerevangelische doktrinäre Disput die Bildung eines Bündnisses für weitere achtzehn Monate. Nachdem der Reichstag zu Augsburg (1530) keine Aussöhnung der katholischen und evangelischen Parteien vermocht hatte, rief der sächsische Kurfürst die protestantischen Stände im Dezember zu einer Versammlung in der Kleinstadt Schmalkalden zusammen. Dort wurde unter dem Vorsitz des Kurfürsten und Landgraf Philipp von Hessen eine Vereinbarung getroffen und bei einem zweiten Treffen im Februar 1531 ein entsprechender Vertrag unterzeichnet (A). Am 23. Dezember 1535, fast fünf Jahre später, nahmen dreiundzwanzig Stände die Verfassung des Bundes an (B). Die Verfassung zeigt, dass der in seiner geografischen Breite beispiellose Bund in seinen politischen und militärischen Institutionen durchaus anderen deutschen Bündnissen entsprach.

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A. Der erste Schmalkaldische Bundesvertrag, 27. Februar 1531


Von gots gnaden wir, Johans, des hailigen romischen reichs ertzmarschalh und curfurst, und Johans Fridrich, vater und son, hertzogen zu Sachssen, landgraven yn Doringen und marggraven zu Meissen, Philips, Ot, Ernst und Frantz, gebrüder und vettern, alle hertzogen zu Braunschieg und Lüneburg, Philips, landgrave zu Hessen, grave zu Catzenelnbogen, zu Dietz, Zigenhayn und Nyda, Wolfgang, furst zu Anhalt, grave zu Aschkanien, her zu Bernburg, Gebhart und Albrecht, gebrüder, graven und hern zu Mansfelt, und burgrmaister, ratman, innungsmaister, rete und gemaynhait der nachbenanten oberlendischen, sachsischen und sehe stette, als: Strasburg, Ulm, Constancz, Reutlingen, Memmingen, Lyndaw, Bibrach, Eisny, Lubeck, Magdeburg und Brehmen bekennen hiran und tun kunt allermengichem:

Nachdeme sich die leuft dieser zeit hyn und wieder gleich sorglich, geschwinde und vorabe dergestalt erczaigen, zutragen und anschicken, als ob man begerte, diejenigen, so has hehl, clar, rayn und unvormackelet wort Gottes yn iren furstentumen, steten, landen und gebieten durch gnad und vorleihung des Almechtigen predigen und vorkündigen lassen, dordurch allerlay misbrauch abgestelt und vorendert, mit gewalt und der tat von solchem yren cristlichen fürhaben zu dringen, und aber yhe ayner yden cristlichen oberkait schuldig ambt ist, nit allain yren undertanen das hailig wort Gots vorkundigen zu lassen, sonder auch mit allem vleis, ernst und vormögen dorfur zu sein, das sie von dem wort Gots nit gezwungen oder abfellig gemacht werden, so wil unser hochste notturft und schuldig ambt der oeberkait erfordern, ob sich itzo oder kunftiglich zutragen oder begeben wurde, das imants uns oder unser undertane mit gewalt oder der tat von dem wort Gots und eerkanter warhait zu dringen (welchs dan der guetig, barmhertzig Got gnediglich vorhueten, und wir uns auch zu nymants vorsehen wollen) und also widerumb zu den abgetanen und vorenderten misbreuchen zu nötigen understunde, solchs alles möglichs vleis zu vorhueten, domit dan solchere gewalt abgewendet und das vo[r]terben baider, leib und sele, unser und unser undertanen, vorhütet werden möge, so haben wir Got dem Almechtigen zu lobe, zu mehrem gedeien und aufwachsen götlicher freien lehren, zu erweckung und förderung ayns cristliche, einhelligen wesens und fridens im hailigen Romischen Reich deutzscher Nation und aller erbarkait, dorzu gemaynen unsern furstentumen, steten und landschaften zu gutem, wolfart, nutz, und frommen, allain zu gegenwehr und rettungsweise, die aynem yden nicht allayn von menschlichen, sonder auch von geschrieben rechten zugelassen und vergönt ist, mit und gegeainander ains cristlichen und freuntlichen vorstands vorainigt, entschlossen, denselben auch auf- und angenommen und tun das gegenwertig yn und mit craft dieses brives in massen, form und gestalt wie hernach volgt:

Nemlich das wir zu allen tailen yhe ainer den andern getreulich und von hertzen maynen, halten und vor schaden warnen sollen undt wollen,auch kayner des andern veinde und widerwetigen offenlich oder haymlich mit wissen durchschlaiffen, furschieben oder enthalten; und demnach dieser vorstandt allain gegenwehrs- und rettungsweise undt gar nit dorumb angesehen, das imant under uns ainichen krigk anfahen solle, ob sich dan begebe, das ainicher tail under uns, wer auch der were, umb das wort Tots, evangelischer lehr und unsers hailigen glaubens oder umb sachen willen, die aus dem wort Gots, evangelischer lere und dem hailigen glauben volgen und demselben anhengig, oder so ayn ander sach gegen aynem aus uns zu aynem schein furgewant wurde, das aber wir und die andern, die solcher zeit nit angegriffen, ermessen möchten, das es vornemlich umb dieses gots worts willen beschee oder vorgewaltigt und uberczogen wolt werden oder fefedet und ubertzogen wurde nd derselbig auf uns andere schleunigs, entlichs rechten leiden möcht, das dan wir alle die andern, yn diesem cristlichen vorststandt begriffen und ayn yder vor sich selbst, sobaldt wir das von dem vorgewaltigten oder sonst durch glaubliche erfarung verstendigt, berich und innen wurde, die sach uns kayner andern gestalt sollen anligen lassen, das als ob unser yder selbs angriffen, bevhedet, ubertzogen und also sein selbst aigen sache were, dorauf auch an allen gefarlichen vorzug ayn yder seinem hoechsten vormögen nach unerwart der andern den befedeten oder vorgeweltigten helfen, retten und entschutten, luft und platz machen, wie dan yderzeit nach gelegenhait des handels durch uns, die uberigen, am füglichsten und fruchtbarlichsten vor gut und dinstlich angesehen und unser yden cristliche liebe und treu, auch sein aigene gewissen und selbst wolfart dohin weisen wirdt, und also denn handel aynander getreulich helfen furen, sich auch kayn tail an der andern wissen und willen yn ayniche richtung, vortrag oder anstand lassen oder begeben.

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