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Der Stadtdirektor von Haltern über die Unterbringung von „Displaced Persons” (16. Dezember 1946)

Die alliierte Politik, ausländische Flüchtlinge und Vertriebene auf deutschem Boden in Lagern unterzubringen und dem Zugriff der deutschen Behörden zu entziehen, führt zu Spannungen. Der Stadtdirektor von Haltern in Westfalen in der britischen Besatzungszone beschwert sich Ende 1946 darüber, daß ein großer Teil der unbeschädigten und bewohnbaren Häuser der Stadt zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge beschlagnahmt sei. Diese Häuser seien von den derzeitigen Bewohnern geplündert worden und verwahrlosten. Außerdem sei die Kriminalität in der Stadt durch das Lager dramatisch gestiegen.

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Der Stadtdirektor von Haltern an das Hauptamt für Arbeitsverwaltung für die Britische Zone, Zwangsräumungen zur Unterbringung von Displaced Persons

Haltern, 16. Dezember 1946


Im April vorigen Jahres wurde nach dem Einmarsch der alliierten Truppen der neue Stadtteil Halterns (das sog. „Neue Viertel“) innerhalb kürzester Zeit (zum Teil 1/4 Stunde) von den hiesigen Anwohnern unter Zurücklassung der gesamten Habe zwangsgeräumt und als Sperrgebiet (DP-Lager) erklärt.

Von diesem Zeitpunkt an waren in dem Lager abwechselnd Russen, Italiener und Jugoslawen und in letzter Zeit durchweg nur Polen untergebracht. Über die Bevölkerung der vom Luftkrieg zu 50% zerstörten Stadt begann damit die Zeit der tiefsten Not und schwersten Drangsale [hereinzubrechen]. Beunruhigungen und Bedrohungen, Misshandlungen, räuberische Diebstähle und fortgesetzte Überfälle und Plünderungen nahmen ihren Ausgangspunkt in diesem Lager. Hinzu kommt, dass der Abschaum der grossen Städte des Industriegebietes sich mit diesen Rechtsbrechern paart und gemeinsam die ansässige Bevölkerung in eine panikartige Polenangst versetzt hat. Die tatkräftigen Männer der Stadt Haltern haben sich auf der Grundlage der Nachbarschaftshilfe zusammengeschlossen und versehen Nacht für Nacht, die berufliche Beanspruchung und Ernährungskrise nicht berücksichtigend, mit insgesamt über 500 Freiwilligen einen Streifendienst. Diese von der Verwaltung gesteuerten Massnahmen haben sich bereits günstig ausgewirkt.

Zu den angegebenen Ziffern 1-6 nehme ich wie folgt Stellung:

1.) In dem DP-Lager sind augenblicklich etwa 5.000 Polen untergebracht. Diese Zahl wechselt durch Abgang und Neuhinzukommende ständig.

2.) Das DP-Lager besteht aus dem „Neuen Stadtviertel“ und der Stadtrandsiedlung. Gerade dieser Teil galt als Halterns Zierde in seiner Gestaltung und blieb vom Bombenkrieg verschont. Es handelt sich fast ausschliesslich um Neubauten und Eigenheime, die durchweg als Lebenswerk von Industriearbeitern anzusehen sind.

Insgesamt liegen in dem Gebiet 414 Häuser = 869 Wohnungen, worin ungefähr = 3.800 ausgewiesene Personen ihren Wohnsitz hatten. Wenn man den Grad der Beschädigung Halterns betrachtet,

unbeschädigte Häuser
29%
=
473 Häuser
leicht “ “
52%
=
842 Häuser
schwer “ “
10%
=
162 Häuser
vollkommen zerstörte 
9%
=
146 Häuser

so macht das „Lager“ einen Ausfall von ungefähr 80% der unbeschädigten Häuser und etwa 30% der bewohnbaren Häuser aus.

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