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Der Aufstieg eines Bürgers – Burkard Zink (1397-1474/75)

In Memmingen geboren, verbrachte Burkard Zink (1397-1474/75) den Großteil seines Erwachsenenlebens als Kaufmann in Augsburg und verfasste eine ausgiebige vierteilige Geschichte seiner Wahlheimat. An den Anfang des dritten Buches stellte Zink einen Bericht über sein Leben, welcher hier größtenteils abgedruckt ist. Dieser stellt vielleicht die erste echte Autobiografie eines deutschen Bürgers dar, da er einen selbstreflektiven Eindruck fortlaufender Erfahrungen vermittelt, der in früheren Werken so noch nicht vorkommt. Sein Bericht vermittelt die große Vielfalt von Zinks Reisen und Erfahrungen, die ökonomische Mobilität bürgerlichen Lebens sowie persönliche und emotionale Ansichten des Familienlebens.

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In dem namen gots sach ich an zu schreiben diß nachvolgend besunder buech, wie ich Burkhart Zingg von meinen kintlichen lagen gelept und wes ich mich genietet han und wie es mir gangen ist.


Item mein liebe mueter starb an ainem kind da man zalt nach Christi unsers lieben herrn gepurt 1401 jar, gott herr erbarm dich über sie. amen. do was ich vier jar alt und hett drei geschwistergit, zwen brüeder Johannes und Conraden, und Margreten unser schwester. und ist ze wißen, daß unser vater ist genant Burkhart Zingg und was auf dasselb mal ain gewerbig man und arbait auf der Steirmark und hett er und guet und was beseßen zu Memingen nahent bei des Mangolts graben ze nechst an der Beckin, die was ain wittbe, und nam darnach ain andern man, hieß der Kipfenperg. dasselb unsers vaters haus hat seit kauft ain huefschmit, und sitzen noch heut bei tag vil schmit, die geseisen machen, an derselben gaßen. [ . . . ]

Item darnach da man zalt 1404 jar da nam mein vater ain ander weib, der vater was genant Hans Schmid von Krumbach und was auch ain schmid, ain frummer man. die was ain junge stoltze frau, die was uns kinden nit günstig und hett uns hert und tet uns übel; aber sie was unserm vater lieb und geviel im wol, als noch oft und dick alten mannen junge weib wol gevallen, dem sei als im ist etc.

Item darnach als man zalt 1407 jar, do was ich ain jüngling bei ailf jaren, schied ich auß von Memingen, von vater und von allen meinen freunden und gieng mit ainem schueler, ich was auch ain schueler und was bei 4 jarn in die schuel gangen. und giengen also mit ainander in Krainland gen windischen landen in ainen markt, haist Reisnitz, das ist ain markt, leit in Krainland hinder Lobach 6 meil gegen Kroat. in dem land belib ich 7 jar und gieng da gen schuel, dann mein vater hett ainen leiplichen brueder, der was pfarrer in ainem dorf, genant an der Riegg, das ist ain groß schön dorf und gehören wol fünf ander dörfer darzu, die haißen Göttenitz, Pausenprunnen etc. da was derselb mein herr bei 30 jaren pfarrer gewesen und was mit graff Fridrichs weib von Ortenpurg in das land hinein kommen, die hett in zu priester gemacht, dann er was ir schreiber gewesen; sie was aine von Tegg. die hertzogen zu Mindlhaim, hertzog Ulrich, hertzog Fridrich und hertzog Lutz, der darnach über etwan vil jar priarch ward in Friul, [waren] derselben frawen von Ortenpurg brüeder etc. derselb mein herr, meins vatern brueder, der ließ mich gen schuel gan in die Reisnitz und dinget mich in die kost zu ainem biderben man, genant Hans Schwab, der was graff Fridrichs paumaister zu Ortenpurg und pawet auf dasselb mal das nider haus zu Ortenpurg hie niden an dem perg.

Item als ich nun bei meinem herrn in der Reisnitz gewesen was 7 jar, sicher der hett mich geren zu eren pracht und tet mir güetlich und wol und wolt mich gen Wien schicken auf die hohen schuel; da wolt ich nit und zoch von im wider seinen willen und wolt nit beleiben, also gab er mir nichts nit. da was ich nun ain schueler bei 18 jaren und kam gen Memingen und vermaint nun, ich solt da bleiben bei meinem vater und ain junkher sein. da hett sich die sach gar fast und fremdiclich verkert, dann mein vater und stiefmueter waren von ainander, mein brüeder waren tot und meiner schwester hett man ain man geben. und was ich solt han von müeterlich erbguets wegen, das hett mein vater und ander meine freund alles meiner schwester geben, dann wir kind hetten unser aigen guet und waren tailt von unserm vater mit unserm müeterlichen erbguet, als unser vater sein weib nam. als ich nun bei meinem herrn in windischen landen was, mainten mein freund, ich käm nit mer von meinem herrn, er wurd mich versorgen; und daß sie mein schwester dester paß möchten setzen, gaben sie ir dester mer etc. und da ich nun kommen was da hett ich gern vil gehapt als dann noch ander jung gesellen, und do mocht mir nichts werden und was mein niemant fro; sicher da hett es mich ser gerawen, daß ich nit bei meinem herrn beliben was, und hueb mich auf und lief von stunden wider in das land hinein. und do ich hinein kam da kam ich gleich als der schaur an die helm: mein herr was tod und hett als sein guet verschaft seinen kinden und andern leuten, er hett wol vier kind. also was ich umbsunst hinein geloffen und [hett] müede bain gemacht, und ward mir ain haller wert guets nit; mir geschach recht, wer ich bei im beliben, es wer mir alles worden.

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