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Karl August Freiherr von Hardenberg, „Über die Reorganisation des Preußischen Staats” (12. September 1807)

Karl August Freiherr von Hardenberg (1750-1822), der in der preußischen Regierung vor der vernichtenden Niederlage gegen Napoleon 1806-07 einflussreich war, wurde 1810 Staatskanzler und Kopf der reformerischen Partei bis zu seinem Tod im Amt 1822. Diese „Rigaer Denkschrift“, die auch die Ideen von Hardenbergs reformorientierten Freunden widerspiegelte, befürwortete bekanntermaßen „demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung.“ Klassengebundene Privilegien beim Zugang zu staatlichen Posten und Grundbesitz sollten wegfallen. Die rechtliche Unterdrückung der Bauern sollte enden. Nach Hardenberg war die Schaffung eines Parlaments der „Nationalrepräsentation“ erstrebenswert. Das Zunftsystem im Handwerk sollte fallen; der Nationalcharakter den Provinzialismus in den Schatten stellen; die Volksmasse sich beteiligen an der militärischen Verteidigung des Landes. In Hardenbergs Sicht war eine Wirtschaftpolitik des freien Marktes („laissez faire“) notwendig; dasselbe galt für religiöse Toleranz, eine zurückhaltende Zensur und die Neuordnung der lokalen Verwaltung, darunter Elemente der Selbstverwaltung.

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Über die Reorganisation des Preußischen Staats, verfasst auf höchsten Befehl Sr. Majestät des Königs [Friedrich Wilhelm III.]


I. Allgemeine Gesichtspunkte.

[ . . . ] Die Französische Revolution, wovon die gegenwärtigen Kriege die Fortsetzung sind, gab den Franzosen unter Blutvergießen und Stürmen einen ganz neuen Schwung. Alle schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorurteile und Gebrechen wurden – freilich zugleich mit manchem Guten – zerstört. Die Benachbarten und Überwundenen wurden mit dem Strome fortgerissen. [ . . . ]

Der Wahn, daß man der Revolution am sichersten durch Festhalten am Alten und durch strenge Verfolgung der durch solche geltend gemachten Grundsätze entgegenstreben könne, hat besonders dazu beigetragen, die Revolution zu befördern und derselben eine stets wachsende Ausdehnung zu geben. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, sie sind so allgemein anerkannt und verbreitet, daß der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegensehen muß. [ . . . ]

Also eine Revolution im guten Sinn, gerade hinführend zu dem großen Zwecke der Veredelung der Menschheit, durch Weisheit der Regierung und nicht durch gewaltsame Impulsion von innen oder außen, – das ist unser Ziel, unser leitendes Prinzip. Demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung: dieses scheint mir die angemessene Form für den gegenwärtigen Zeitgeist. Die reine Demokratie müssen wir noch dem Jahre 2440 überlassen, wenn sie anders je für den Menschen gemacht ist. [ . . . ]

II. Auswärtige Verhältnisse.

[ . . . ] Selbständigkeit und Independenz sind jetzt leere Namen.

Wie gelangen wir wieder dahin?

Wie vermeiden wir gänzliche Abhängigkeit? [ . . . ]

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