GHDI logo


SED/PDS-Resolution für eine neue DDR (17. Dezember 1989)

In ihrem verzweifelten Bemühen, ihre schwindende Macht zu retten, nennt sich die diskreditierte SED bei einem Außerordentlichen Parteitag zur Erhaltung der Unabhängigkeit der DDR durch Demokratisierung ihres Sozialismus-Konzepts in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) um.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


Die Delegierten des außerordentlichen Parteitages der SED/PDS erklären:

Der demokratische Willensentscheid des Volkes leitete die revolutionäre Erneuerung des Sozialismus in der DDR ein. Wir stehen dazu. Gemeinsam mit allen Demokraten und Humanisten sind wir Sozialisten für die radikale Erneuerung unserer Gesellschaft.

Was wollen wir?
Wir wollen:

– Verantwortung tragen für dieses Land, das unsere Heimat ist.
– Die staatliche Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik bewahren und das Land vor wirtschaftlichem Ausverkauf schützen.
– Einen demokratischen Sozialismus auf deutschem Boden.
– Uneingeschränkte Volksherrschaft und Rechtsstaatlichkeit.
– Einen verfassungsmäßig garantierten politischen Pluralismus mit einem demokratischen Parlament von hoher Autorität.
– Ein ökonomisch leistungsfähiges und ökologisch gesundes Land.
– Bewahrung und Entwicklung des gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln, die Förderung genossenschaftlicher und privatwirtschaftlicher Initiativen in Industrie und Landwirtschaft, in Handel, Handwerk und Gewerbe.
– Festigung des genossenschaftlichen, staatlichen und persönlichen Eigentums in der Landwirtschaft, eine ökologisch vernünftige gesunde Ernährung des Volkes.
– Ein Gemeinwesen, das bei Durchsetzung des Leistungsprinzips seinen Bürgern soziale Sicherheit gibt, das die Schwachen schützt und die Freiheit jedes Bürgers gewährleistet, seine Lebensentscheidungen selbständig zu treffen.
– Reale Bedingungen für Chancengleichheit der Frauen und für ihre Gleichstellung in der Gesellschaft.
– Die Förderung von Wissenschaft, Kultur, Bildung und Technik, die Chancengleichheit der heranwachsenden Generationen durch eine leistungsfähige Schule, die die Individualität ausprägt und zu moralischen und humanistischen Werten verpflichtet.
– Zusammenarbeit und Freundschaft mit der KPdSU, mit allen Parteien und Bewegungen in der Welt, die für Frieden und sozialen Fortschritt sind.
– Damit erreichen, daß kein Bürger mehr unser Land verläßt, weil er für sich und seine Familie hier keine Zukunft mehr sieht.
– Drastische Abrüstung und Gewaltlosigkeit in den zwischenstaatlichen Beziehungen, für die Lösung der globalen Probleme, für Solidarität mit den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas.

Das verbinden wir mit dem Namen Sozialismus.

Unsere Partei steht in der Tradition der Arbeiterbewegung, des Humanismus und des Antifaschismus. Sie setzt das Werk von Marx, Engels und Lenin fort. Sie bekennt sich zur Sozialdemokratischen Partei von August Bebel, zum Spartakusbund von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, zu den Hunderttausenden deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten, Bürgern aller Bevölkerungsschichten und politischen Überzeugungen, die dem Hitlerfaschismus die Stirn boten.

Wir sind überzeugt: Den Weg in eine demokratische und solidarische Gesellschaft gemeinsam zu gehen dürfen weder weltanschauliche Unterschiede noch politische Meinungsverschiedenheiten verhindern. Weil es um unser Land, um unsere Zukunft geht, erinnern wir an unsere schmerzlichste und wichtigste geschichtliche Erfahrung: Wenn die fortschrittlichen Parteien und Bewegungen sich gegenseitig bekämpfen, statt zusammenzugehen, kommt die Stunde der Demagogen und rechten Aufwiegler. Treten wir gemeinsam ein für Gewaltlosigkeit in den politischen Auseinandersetzungen, wie sie bisher die Revolution bei uns ausgezeichnet hat. Erheben wir unsere Stimme für Recht und Gesetz. Pogrome darf es nicht geben. Rache ist Barbarei. Dem Neonazismus und Rechtsradikalismus keine Chance! Wir sind gewiß, daß sich die Mehrheit in unserem Lande wie wir für eine europäische Friedensordnung und einen sicheren Weg zur Überwindung der Spaltung unseres Kontinents einsetzt und ein gemeinsames europäisches Haus will. Dem dient auch eine Vertragsgemeinschaft zwischen der DDR und der BRD. Lassen wir nicht zu, daß großdeutsch-nationalistische Töne die Oberhand gewinnen. Unsere Nachbarn, die Völker Europas erwarten von uns, daß wir unserer Verantwortung für den Frieden gerecht werden. Wir sind für durchlässige, freundliche, aber sichere Grenzen zu unseren Nachbarn. Wir sind aufeinander angewiesen, wenn wir diese Ziele erreichen wollen. Laßt uns also über alle politischen Gegensätze hinweg zusammengehen.

Für eine neue DDR, für demokratischen Sozialismus!



Quelle: „Für die DDR – für einen demokratischen Sozialismus“, Außerordentlicher Parteitag der SED/PDS, 8./9. und 16./17. Dezember 1989. Berlin, 1990, S. 125-27.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite