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Aufgliederung der Entnazifizierungseinstufungen in den westlichen Besatzungszonen (1949-1950)

Der statistische Überblick über die Entnazifizierung in den drei westlichen Besatzungszonen ist nur mit großer Vorsicht zu interpretieren, da unterschiedlich vollständige Daten für die einzelnen Zonen, unterschiedlich gefaßte Gruppen von Betroffenen und unterschiedliche Verfahrensweisen den Vergleich der Zahlen erschweren. So sind die hier nicht besetzten Gruppen I und II in der britischen Zone darauf zurückzuführen, daß die Einstufung in diese Gruppen der Militärregierung vorbehalten war und dazu keine Daten vorliegen. Die hohe Zahl der „Entlasteten“ dort beruht auf der dadurch ausgelösten Verschiebung der Gruppen nach unten. Generell läßt sich sagen, daß die Entnazifizierung am strengsten in der amerikanischen und am mildesten in der französischen Zone durchgeführt wurde, wofür auch die hohe Zahl der dort eingestellten Verfahren spricht.

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Bemerkungen zur Aufgliederung der Entnazifizierungsfälle in den Westzonen

Bei der hier wiedergegebenen Statistik, die den Stand der Entnazifizierung vom 31. 8. 1949 für die amerikanische und vom 28. 2. 1950 für die französische und britische Zone wiedergibt, handelt es sich um die einzig verfügbare Zusammenstellung des Bundesinnenministeriums. Dieses wies in einer ergänzenden Erklärung auf die dieser Statistik anhaftenden Mängel hin: »Die Zahlenangaben der britischen Zone sind unvollständig, da einmal die Einstufungen in die Kategorien I und II nur durch die britische Militärregierung erfolgen und Zahlen darüber nicht mitgeteilt werden; zum anderen konnte von den Ländern auch nicht die Zahl der von der britischen Militärregierung bereits vor Bildung deutscher Entnazifizierungsbehörden im Februar 1947 erledigten Verfahren der Kategorien III-V mitgeteilt werden.

Im Land Nordrhein-Westfalen ist eine Statistik über diejenigen Verfahren nicht geführt worden, die deswegen eingestellt wurden, weil die Betreffenden nicht unter die Entnazifizierungsvorschriften fielen, oder bei denen andere Gründe zur Einstellung geführt haben. Daher konnten diese Zahlen auch nicht gemeldet werden.

In Rheinland-Pfalz liegen noch 500 unerledigte Anträge des öffentlichen Klägers auf Einstufung in die Kategorien I und II vor.

In der amerikanischen Zone galten 3 623 112 Personen als vom Befreiungsgesetz betroffen. Die Entnazifizierungskammern haben davon 950 126 Fälle bearbeitet, die übrigen wurden bereits vom öffentlichen Kläger ohne Klageerhebung eingestellt, davon 2 504 686 amnestiert.«

Jede statistische Aufstellung über die Entnazifizierung, die für alle Zonen vergleichbare Werte enthalten soll, stößt infolge der verschiedenen Verfahrenspraxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Erinnert sei daran, daß in der britischen Zone eine Meldepflicht der Betroffenen nicht bestand und daß der Kreis der Meldepflichtigen in der französischen Zone wesentlich enger gefaßt war als in der amerikanischen. Auch gab es im Gegensatz zu den anderen Ländern in Baden, Württemberg-Hohenzollern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg keinen öffentlichen Kläger.

Dennoch vermag die Statistik cum grano salis interpretiert, interessante Aufschlüsse über das Ergebnis der Entnazifizierung zu geben. Von der Gesamtzahl der unter die Lupe Genommenen erwies sich am Ende ein minimaler Prozentsatz als schwerbelastet, 2,5 % in der amerikanischen, 0,1 % in der französischen und die 1,3 % der mangels anderer Möglichkeiten in die Gruppe III in der britischen Zone Eingestuften. Man kann wohl kaum auf Grund dieser groben Statistik schlüssige Aussagen machen über den Grad der in der Entnazifizierung waltenden Strenge in den einzelnen Zonen. Doch wird die Abstufung: schärfste Durchführung in der amerikanischen und mildeste in der französischen Zone durch viele Kommentare bestätigt. Die große Zahl der Entlasteten in der britischen Zone erklärt sich durch die Akzentverschiebung infolge der fehlenden Gruppen I und II. Die Kategorie der Entlasteten mußte dort zur Aufnahme der in den anderen Zonen als Mitläufer Bezeichneten dienen. Der Großteil der Mitläufer in der französischen Zone hatte auf Grund der Amnestien, Verordnungen Nr. 133 und 165 den Vorteil, ganz ohne Sühneleistung davonzukommen.


Gruppe I und II: Hauptschuldige und Belastete
Gruppe III: Minderbelastete
Gruppe IV: Mitläufer
Gruppe V: Entlastete




Quelle: Justus Fürstenau, Entnazifizierung. Ein Kapitel deutscher Nachkriegspolitik. Luchterhand: Neuwied und Berlin, 1969, S. 227.

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