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Stuttgarter Rede („Rede der Hoffnung”) des amerikanischen Außenministers James F. Byrnes (6. September 1946)

Im Lauf des Jahres 1946 wird die Zusammenarbeit zwischen den alliierten Siegermächten immer schwieriger. Gegensätzliche Vorstellungen über die Zukunft Deutschlands lähmen die Arbeit des Alliierten Kontrollrates in Berlin und verhindern eine Besserung der wirtschaftlichen Lage. Da es mit der Sowjetunion und auch Frankreich zu keiner Einigung über die strittigen Fragen kommt, beschließen die USA und Großbritannien am 5. September 1946 die Zusammenlegung ihrer Besatzungszonen zur „Bizone“ mit gemeinsamen Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten.

Die Rede von US-Außenminister James F. Byrnes am nächsten Tag in Stuttgart macht die Wende in der amerikanischen Politik öffentlich und hat eine enorme Wirkung in Deutschland. Byrnes kritisiert, dass die in Potsdam beschlossene Behandlung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit nicht verwirklicht wurde und die vier Mächte ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden seien. Die Amerikaner werden sich zwar aus Deutschland nicht zurückziehen, aber Byrnes stellt den Deutschen erstmals konkret die Bildung einer eigenen Regierung auf demokratischer Grundlage, die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung und die Rückübertragung der Regelung ihrer inneren Angelegenheiten in Aussicht.

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Ich bin nach Deutschland gekommen, um mich an Ort und Stelle über die mit dem Wiederaufbau Deutschlands verbundenen Probleme zu orientieren und die Ansichten der Regierung der Vereinigten Staaten über einige der vor uns liegenden Probleme mit unseren Vertretern in Deutschland zu besprechen. Wir Amerikaner haben diesen Problemen beträchtliche Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, weil von ihrer erfolgreichen Lösung nicht nur das künftige Wohlergehen Deutschlands, sondern auch das Europas abhängt.

Wir haben wohl oder übel lernen müssen, daß wir alle in einer Welt leben, von der wir uns nicht isolieren können. Wir haben gelernt, daß Frieden und Wohlergehen unteilbar sind und daß Frieden und Wohlergehen in unserem Land nicht auf Kosten des Friedens und Wohlergehens eines anderen Volkes erkauft werden können.

Ich hoffe, daß das deutsche Volk nie wieder den Fehler machen wird, zu glauben, daß das amerikanische Volk, gerade weil es den Frieden liebt, in der Hoffnung auf Frieden abseits stehen wird, wenn irgendeine Nation Gewalt anwendet oder mit Gewalt droht, um die Herrschaft über andere Völker oder Regierungen zu erlangen.

Im Jahre 1917 wurden die Vereinigten Staaten zur Teilnahme am ersten Weltkrieg gezwungen. Nach diesem Krieg weigerten wir uns, dem Völkerbund beizutreten. Wir glaubten, uns den europäischen Kriegen fernhalten zu können, und verloren das Interesse an europäischen Angelegenheiten. Dies schützte uns aber nicht davor, zum Eintritt in den zweiten Weltkrieg gezwungen zu werden. Wir wollen jenen Fehler nicht wiederholen. Wir sind entschlossen, uns weiter für die Angelegenheiten Europas und der Welt zu interessieren. Wir haben zur Organisation der Vereinten Nationen beigetragen und glauben, daß dadurch Angreifernationen davon abgehalten werden, Kriege anzufangen. Weil wir das glauben, wollen wir die Vereinten Nationen mit unserer ganzen Macht und allen unseren Hilfsquellen unterstützen.

Das amerikanische Volk will den Frieden. Es hat schon seit langem nicht mehr von einem strengen oder milden Frieden für Deutschland gesprochen. Darauf kam es auch niemals wirklich an. Was wir wollen, ist ein dauerhafter Friede. Wir werden uns gegen zu harte und von Rachsucht diktierte Maßnahmen wenden, die einem wirklichen Frieden im Wege stehen. Wir werden uns zu milden Maßnahmen widersetzen, welche zum Bruch des Friedens einladen.

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