GHDI logo


Zweibund mit Österreich (7. Oktober 1879)

Russland ging aus dem Berliner Kongress (1878) mit Ressentiments gegenüber Deutschlands Rolle bei der Blockade seines Vorrückens auf dem Balkan hervor. Als Bismarck sich mit der Möglichkeit konfrontiert sah, zwischen Russland und Österreich-Ungarn zu wählen, suchte er die engere Anbindung Österreichs an Deutschland im Falle eines deutsch-russischen Konflikts. Diese Aufgabe wurde erleichtert durch die ziemlich großzügigen Friedensbedingungen, die Bismarck nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 gestellt hatte und durch die sprachlichen und kulturellen Verbindungen Österreich-Ungarns mit Deutschland. Als Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bismarck und Österreich-Ungarns Außenminister, Julius Graf Andrássy (1823-1890) trat am 7. Oktober 1879 der Zweibund in Kraft. Die Defensivorientierung des Bündnisses wird in der Präambel zum Vertrag betont. Beide Nationen garantieren, dass sie im Falle eines russischen Angriffs militärische Hilfe für die jeweils andere leisten – selbst wenn sie mit Russland durch einen anderen Vertrag gebunden sind. Obwohl Bismarck die Stabilität des Habsburgerreichs und dessen Fähigkeit, Großbritannien in den Kreis der Verbündeten zu bringen, überschätzte, war diese Allianz dennoch sowohl dauerhaft als auch von großer historischer Bedeutung: Im Juli 1914 weitete sich Österreich-Ungarns Streit mit Serbien im Balkan zum Ersten Weltkrieg aus.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


Zweibund-Vertrag zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn vom 7. Oktober 1879
Geheimvertrag, Teilveröffentlichung im Reichs- und Staatsanzeiger am 3. Februar 1888


In Erwägung, daß Ihre Majestäten der Deutsche Kaiser, König von Preußen, und der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, es als Ihre unabweisliche Monarchenpflicht erachten müssen, für die Sicherheit Ihrer Reiche und die Ruhe Ihrer Völker unter allen Umständen Sorge zu tragen;

In Erwägung, daß beide Monarchen, ähnlich wie in dem früher bestandenen Bundesverhältnisse, durch festes Zusammenhalten beider Reiche, imstande sein werden, diese Pflicht leichter und wirksamer zu erfüllen;

In Erwägung schließlich, daß ein inniges Zusammengehen von Deutschland und Österreich-Ungarn niemanden bedrohen kann, wohl aber geeignet ist, den durch die Berliner Stipulationen* geschaffenen europäischen Frieden zu konsolidieren,

haben Ihre Majestäten der Kaiser von Deutschland ** und der Kaiser von Österreich, König von Ungarn,

indem sie Einander feierlich versprechen, daß Sie Ihrem rein defensiven Abkommen eine aggressive Tendenz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen,

einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Verteidigung zu knüpfen beschlossen.

[ . . . ]***

Art. I.. Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden Hohen Kontrahenten Eines der beiden Reiche von Seiten Rußlands angegriffen werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet, Einander mit der gesamten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen+.

[ . . . ]



* Der die Ergebnisse des Berliner Kongresses zusammenfassende „Berliner Vertrag“ vom 13. Juli 1878. [Alle Fußnoten stammen aus: Ernst Rudolf Huber, Hg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851-1900. Stuttgart: Kohlhammer, 1986, S. 495.]
** Auch hier findet sich die inkorrekte Fassung des Kaisertitels.
*** Es folgen die Namen der beiden Unterhändler: Heinrich VII, Prinz Reuß (1825–1906), preuß. Diplomat; Gesandter in Kassel (1863), München (1864–67), Petersburg (1867–76), Konstantinopel (1877–78) und Wien (1878–94); sowie Julius Graf Andrássy (1823–90), österreichisch-ungarischer Staatsmann; ung, Minisrerpräsident 1867–71; öst.-ung. Außenminister 1871–79.
+ Die vertrauliche Mitteilung des Vertrags an den Zaren Alexander II. (1818–81) nahm Kaiser Wilhelm I. bereits durch ein Schreiben vom 4. November 1879 vor.



Quelle: Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914, Bd. 5, Nr. 1116.

Abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851-1900. Stuttgart: Kohlhammer, 1986, S. 494-95.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite