Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878
§ 1. Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten. Dasselbe gilt von Vereinen, in welchen sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten.
Den Vereinen stehen gleich Verbindungen jeder Art.
§ 2. Auf eingetragene Genossenschaften findet im Falle des § 1 Abs. 2 der § 35 des Gesetzes vom 4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, (Bundes-Gesetzblatt, S. 415 ff.) Anwendung.
Auf eingeschriebene Hülfskassen findet im gleichen Falle der § 29 des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 (Reichs-Gesetzblatt, S. 125 ff.) Anwendung.
§ 3. Selbständige Kassenvereine (nicht eingeschriebene), welche nach ihren Statuten die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder bezwecken, sind im Falle des § 1 Abs. 2 zunächst nicht zu verbieten, sondern unter eine außerordentliche staatliche Kontrole zu stellen.
Sind mehrere selbständige Vereine der vorgedachten Art zu einem Verbande vereinigt, so kann, wenn in einem derselben die im § 1 Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen zu Tage treten, die Ausscheidung dieses Vereins aus dem Verbande und die Kontrole über denselben angeordnet werden.
In gleicher Weise ist, wenn die bezeichneten Bestrebungen in einem Zweigvereine zu Tage treten, die Kontrole auf diesen zu beschränken.
§ 4. Die mit der Kontrole betraute Behörde ist befugt:
1. allen Sitzungen und Versammlungen des Vereins beizuwohnen;
2. Generalversammlungen einzuberufen und zu leiten;
3. die Bücher, Schriften und Kassenbestände einzusehen, sowie Auskunft über die Verhältnisse des Vereins zu erfordern;
4. die Ausführung von Beschlüssen, welche zur Förderung der im § 1 Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen geeignet sind, zu untersagen;
5. mit der Wahrnehmung der Obliegenheiten des Vorstandes oder anderer leitender Organe des Vereins geeignete Personen zu betrauen;
6. die Kassen in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen.