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Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung „über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen” (datiert auf den 1. September 1939 und veröffentlicht am 7. September 1939)

Joseph Goebbels hatte bereits früh die Macht des neuen Mediums Rundfunk als Propagandainstrument erkannt und daher dessen totale Kontrolle zu einer Priorität gemacht. Der von den Nationalsozialisten lancierte „Volksempfänger“ wurde deshalb nicht nur zu geringem Preis verkauft, sondern hatte auch eine begrenzte Reichweite, die das Hören ausländischer Sender mit dem Gerät unmöglich machen sollte. 1939 gab es bereits über 12 Millionen Radioapparate im Deutschen Reich und nur 3 Jahre später hatten 16 Millionen Haushalte, ungefähr 70% der Bevölkerung, Zugang zum Rundfunkempfang, jedoch nicht nur über den „Volksempfänger“. Da ausländische Radiosendungen bei Kriegsausbruch nicht einfach verboten werden konnten wie die ausländische Presse, verfasste Goebbels bereits am Tag des Kriegsausbruchs einen Gesetzesentwurf, welcher das Hören ausländischer Radiosendungen und die Verbreitung der dort erfahrenen Informationen als „Rundfunkverbrechen“ unter Strafe stellte. Die Strafmaßnahmen reichten vom Einzug des Radios bis zu mehrjährigen Zuchthausstrafen, in einzelnen Fällen wurden sogar Todesurteile wegen Verrats ausgesprochen. Die Fahndung von Verstößen gegen die Rundfunkverordnung wurde der Gestapo übertragen, die in ihrer Arbeit größtenteils auf Denunziationen aus der Bevölkerung angewiesen war, und allein in den ersten 10 Monaten rund 2.200 Verhaftungen vornahm.

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Tag der Ausgabe: 7. September 1939

Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen.
Vom 1. September 1939.

Im modernen Krieg kämpft der Gegner nicht nur mit militärischen Waffen, sondern auch mit Mitteln, die das Volk seelisch beeinflussen und zermürben sollen. Eines dieser Mittel ist der Rundfunk. Jedes Wort, das der Gegner herübersendet, ist selbstverständlich verlogen und dazu bestimmt, dem deutschen Volke Schaden zuzufügen. Die Reichsregierung weiß, daß das deutsche Volk diese Gefahr kennt, und erwartet daher, daß jeder Deutsche aus Verantwortungsbewußtsein heraus es zur Anstandspflicht erhebt, grundsätzlich das Abhören ausländischer Sender zu unterlassen. Für diejenigen Volksgenossen, denen dieses Verantwortungsbewußtsein fehlt, hat der Ministerrat für die Reichsverteidigung die nachfolgende Verordnung erlassen.

Der Ministerrat für die Reichsverteidigung verordnet für das Gebiet des Großdeutschen Reichs mit Gesetzeskraft:

§ 1
Das absichtliche Abhören ausländischer Sender ist verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Zuchthaus bestraft. In leichteren Fällen kann auf Gefängnis erkannt werden. Die benutzten Empfangsanlagen werden eingezogen.

§ 2
Wer Nachrichten ausländischer Sender, die geeignet sind, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden, vorsätzlich verbreitet, wird mit Zuchthaus, in besonders schweren Fällen mit dem Tode bestraft.

§ 3
Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten nicht für Handlungen, die in Ausübung des Dienstes vorgenommen werden.

§ 4
Für die Verhandlungen und Entscheidung bei Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung sind die Sondergerichte zuständig.

§ 5
Die Strafverfolgung auf Grund von §§ 1 und 2 findet nur auf Antrag der Staatspolizeistellen statt.

§ 6
Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda erläßt die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, und zwar, soweit es sich um Strafvorschriften handelt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz.


Der Vorsitzende des Ministerrates für die Reichsverteidigung
Göring, Generalfeldmarschall

Der Stellvertreter des Führers
R. Heß

Der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung
Frick

Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei
Dr. Lammers



Quelle: Reichsgesetzblatt I, 1939, S. 1683; abgedruckt in Helma Kaden und Ludwig Nestler, Hg., Dokumente des Verbrechens. Aus Akten des Dritten Reiches 1933-1945. Bd. I, Berlin, 1993, S. 114-16.

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