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Reichserbhofgesetz (29. September 1933)

Schon vor Hitlers Machtübernahme kam den deutschen Bauern eine Sonderstellung in der NS-Weltanschauung zu, die sie zum Kern rassischer und wirtschaftlicher Stabilität erklärte. Insbesondere der spätere „Reichsbauernführer“ Richard Walther Darré (1895-1953) vertrat die sogenannte „Blut- und Bodenideologie“, die eine allgemeine Abkehr von der „jüdisch-verdorbenen“ Industrie und eine Zurückwendung zur Agrarwirtschaft propagierte. Nach September 1933 verfolgte Darré das Ziel der nationalen Selbstversorgung durch den sogenannten „Reichsnährstand“, der die nationalsozialistische Gleichschaltung und Planung der gesamtdeutschen Landwirtschaft leitete. Das folgende Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 stellte einen ersten Schritt der Staatsregulierung der Agrarwirtschaft dar, mit dem deutsche Bauern vor den unberechenbaren Strömen der modernen Marktwirtschaft, Industrialisierung, und Verstädterung geschützt werden sollten. Obwohl Hitler die Blut- und Bodenvorstellungen teilte und massive Ansiedlungsprojekte für Bauern im osteuropäischen Raum als zukünftige Lebensgrundlage für das deutsche Volk vorsah, war seine erste Priorität die schnelle wirtschaftliche Wiederbelebung zum Zweck der Aufrüstung und Kriegführung. Dabei war er auf die Industrie angewiesen, die schnell Vorrang vor Darrés bäuerlich-reaktionären Plänen gewann.

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Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten.

Die Bauernhöfe sollen vor Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern verbleiben.

Es soll auf eine gesunde Verteilung der landwirtschaftlichen Besitzgrößen hingewirkt werden, da eine große Anzahl lebensfähiger kleiner und mittlerer Bauernhöfe, möglichst gleichmäßig über das ganze Land verteilt, die beste Gewähr für die Gesunderhaltung von Volk und Staat bildet.

Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen. Die Grundgedanken des Gesetzes sind:

Land- und forstwirtschaftlicher Besitz in der Größe von mindestens einer Ackernahrung und von höchstens 125 Hektar ist Erbhof, wenn er einer bauernfähigen Person gehört.

Der Eigentümer des Erbhofs heißt Bauer.

Bauer kann nur sein, wer deutscher Staatsbürger, deutschen oder stammesgleichen Blutes und ehrbar ist.

Der Erbhof geht ungeteilt auf den Anerben über.

Die Rechte der Miterben beschränken sich auf das übrige Vermögen des Bauern. Nicht als Anerben berufene Abkömmlinge erhalten eine den Kräften des Hofes entsprechende Berufsausbildung und Ausstattung; [ . . . ].

§ 2 [ . . . ] (2) Als Ackernahrung ist diejenige Menge Landes anzusehen, welche notwendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren und zu bekleiden sowie den Wirtschaftsablauf des Erbhofes zu erhalten. [ . . . ]

§ 15 Der Bauer muß ehrbar sein. Er muß fähig sein, den Hof ordnungsmäßig zu bewirtschaften. Mangelnde Altersreife allein bildet keinen Hinderungsgrund. [ . . . ]

§ 20 Zum Anerben sind in folgender Ordnung berufen:

1. die Söhne des Erblassers; an die Stelle eines verstorbenen Sohnes treten dessen Söhne und Sohnessöhne;
2. der Vater des Erblassers;
3. die Brüder des Erblassers; an die Stelle eines verstorbenen Bruders treten dessen Söhne und Sohnessöhne;
4. die Töchter des Erblassers; an die Stelle einer verstorbenen Tochter treten deren Söhne und Sohnessöhne;
5. die Schwestern des Erblassers; an die Stelle einer verstorbenen Schwester treten deren Söhne und Sohnessöhne;
6. die weiblichen Abkömmlinge des Erblassers und die Nachkommen von solchen, soweit sie nicht bereits zu Nr. 4 gehören. Der dem Mannesstamm des Erblassers Näherstehende schließt den Fernerstehenden aus. Im übrigen entscheidet der Vorzug des männlichen Geschlechts. [ . . . ]

§ 31 Der überlebende Ehegatte des Erblassers kann, wenn er Miterbe oder pflichtteilsberechtigt ist und er auf alle ihm gegen den Nachlaß zustehenden Ansprüche verzichtet, von dem Anerben lebenslänglich den in solchen Verhältnissen üblichen Unterhalt auf dem Hofe verlangen, soweit er sich nicht aus eigenem Vermögen unterhalten kann. [ . . . ]



Quelle: Reichsgesetzblatt, Bd. I, Nr. 108, 30. September 1933; abgedruckt in: Gustavo Corni, „Blut und Boden“: Rassenideologie und Agrarpolitik im Staat Hitlers. Idstein: Schulz-Kirchner, 1994, S. 104-09.

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