GHDI logo

Dokumente - Ende der DDR und Vereinigung

Während des turbulenten Jahres 1990 löste sich die DDR schneller auf als irgendjemand geahnt hätte. Im Januar musste die kommunistische Tageszeitung Neues Deutschland den Bankrott der DDR-Wirtschaft wegen seiner antiquierten Infrastruktur, der Westverschuldung und der exzessiven Sozialausgaben zugeben (Dok. 1). Als sie bemerkten, dass man dabei war, die verhasste Staatssicherheit (Stasi) zu transformieren anstatt sie aufzulösen, stürmten wütende Bürger die Stasi-Zentrale, womit sie ihre Macht brachen und die Regierung Modrow diskreditierten (Dok. 2). Gleichzeitig intervenierten westdeutsche Parteien in der DDR-Wahlkampagne für die Wahlen im März 1990, und Bundeskanzler Kohl und die CDU versprachen die rasche Verwirklichung politischer Freiheit, einer sozialen Marktwirtschaft und der deutschen Einheit (Dok. 3). Gegen solche Hoffnungen konnten sich weder das langsame Vorgehen der SPD unter ihrem Vorsitzenden Oskar Lafontaine noch das Engagement der Bürgerrechtsbewegung für die Reformierung einer unabhängigen DDR durchsetzen. Auch die sozialistische Nachfolgepartei, die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), hatte keine Chance, da sie sich überwiegend an die alten sozialistischen Kader richtete. Deshalb ergab die erste freie Wahl in der DDR-Geschichte einen überraschend klaren Sieg einer hastig zusammengestellten „Allianz für Deutschland“, zusammengesetzt aus der CDU und zwei weiteren konservativen Gruppierungen, der Deutschen Sozialen Union (DSU) und der Partei Demokratischer Aufbruch (DA). Sie erhielt ungefähr die Hälfte der Stimmen. Zusammen mit anderen prowestlichen Parteien, die ein Drittel der Stimmen auf sich vereinen konnten, war das Ergebnis ein überwältigender Sieg für eine rasche Wiedervereinigung (Dok. 5 und 6).

Als der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, dem öffentlichen Druck und diplomatischen Demarchen zugunsten einer Wiedervereinigung im Februar 1990 nachgab, stellte sich die Frage nach der Handhabung der internationalen Aspekte des Einigungsprozesses (Dok. 4). Die Aussicht auf die Wiederbelebung eines vereinigten Deutschland löste bei den benachbarten Ländern historische Ängste vor der Restauration einer militärischen, wirtschaftlichen und politischen Macht aus, die Europa möglicherweise nicht in Schach halten könnte (Dok. 7). Ein Stolperstein auf dem Weg zur internationalen Zustimmung zur deutschen Einheit war Kohls Zögern bei der erneuten Bekräftigung früherer westdeutscher Garantien für die polnische Grenze, eine innenpolitisch bedingte Konzession an die Stimmen der Vertriebenen, die ihre politische Heimat in der CDU gefunden hatten. Diese und andere Fragen wurden schließlich im Verlauf von Gesprächen zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion) über die künftige Bündniszugehörigkeit eines vereinten Deutschland geklärt. Direkte persönliche Gespräche zwischen Kanzler Kohl und Generalsekretär Gorbatschow im Kaukasus im Juli 1990 lösten die Blockade dadurch, dass die Beibehaltung der NATO-Mitgliedschaft an erhebliche deutsche Finanzhilfe für die Sowjetwirtschaft gekoppelt wurde (Dok. 10). Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 ratifizierte schließlich die außenpolitische Dimension der deutschen Einheit: Deutschland würde aus den zusammengefassten Gebieten der DDR und der BRD bestehen, die Grenzen würden feststehen und international anerkannt sein und die Zugehörigkeit zur NATO würde fortgesetzt (Dok. 14).

Der innenpolitische Aspekt des Zusammenschlusses der beiden deutschen Nachkriegsstaaten erwies sich als noch schwieriger. Der neue Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, verkündete, dass er sich die Wiedervereinigung so schnell wie möglich wünschte, „aber ihre Rahmenbedingungen müssen so gut, so vernünftig und so zukunftsfähig sein wie nötig“ (Dok. 8). Um die Abwanderung der Bürger aus dem Osten in den Westen zu stoppen, vereinbarten die beiden deutschen Regierungen die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, welche die begehrte westliche DM in den Osten bringen würde (Dok. 9). Westdeutsche Intellektuelle wie Günter Grass und Jürgen Habermas, ebenso wie deren ostdeutsche Kollegen wie Heiner Müller übten scharfe Kritik an dem Wunsch der Bevölkerung nach einem besseren Lebensstandard als „Ausverkauf der DDR“ (Dok. 11). Nichtsdestoweniger optierte die DDR-Volkskammer am 23. August 1990 nach Artikel 23 des Grundgesetzes für den Beitritt der fünf DDR-Länder zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober (Dok. 12). Der tatsächliche Beitritt des Ostens zum Westen wurde im umfangreichen Einigungsvertrag zusammengefasst, der eine Vielzahl rechtlicher Fragen regelte, von verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu Regierungsfinanzen, Eigentumsrechten, Rentenansprüchen, Anerkennung von Titeln und dergleichen (Dok. 13). Beim Festakt zur deutschen Vereinigung erläuterte Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Herausforderung der friedlichen Zusammenführung Deutschlands und Europas (Dok. 15). Trotz vieler verbleibender Ähnlichkeiten in den politischen Einstellungen haben Meinungsumfragen gezeigt, wie weit sich die Deutschen in den Jahrzehnten der Teiling voneinander entfernt hatten (Dok. 16).

Liste der Dokumente