An die Herren Robert Weltsch und Hans Kohn
München, 30. Juli 1921
Geehrte Herren
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Der systematische Begriff den ich von Zionismus habe, schließt nicht nur aufs strengste die bei Ihnen (im Buch „vom Judentum“, in den schmählichen Elaboraten des deutschen „Hapoël hazaïr“ und der „Jugendbewegung“ u. s. w.) übliche Phraseologie eines „revolutionären Zionismus“, sondern im Grunde die ganze politische Sphäre, in der die Revolution mit Recht als das Zentrum erblickt wird, als irrelevant, wenn nicht verderblich aus. Selbst wäre der Zionismus eine revolutionäre Sache, müsste er – mit doppelter und dreifacher Vorsicht – diese Terminologie vermeiden, welche es einer Unmenge leerer Köpfe erlaubt, sich nach Belieben breit zu machen und mit ihrem Geschwätz die wichtigsten Angelegenheiten des Volkes zu kompromittieren und zu gefährden. Die Unreinlichkeit einer Terminologie, die es ermöglicht hat, das (s) ein redseliger Literat im Golus sich als „junger Arbeiter“ anpreisen darf, daß diejenige Distanz von Palästina, die nicht aus Unwissenheit, sondern aus Ehrfurcht vor dem, was etwa dort geschehen möchte, entspringt, mit einigen Phrasen kühn und anmaßend zu überspringen oder zu überbrücken versucht werden kann, diese Unreinlichkeit ist schon in sich entsetzlich. Dazu kommt nun als ihr Grund die „moderne“ heillose Konfundierung religiöser und politischer Kategorien, aus religiöser und aus politischer Sphäre entspringender Forderungen, die beide geschändet und beide zum Spiel, das eines Tages in Gewalt umschlagen wird, erniedrigt hat.
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In der Tat: ich bekenne mich zu einem völlig unrevolutionären, weil sich auf eine Schicht, auf der es keine Revolutionen gibt, beziehenden Begriff von Zionismus, der nur in tiefer und kaum anstehender Ironie revolutionär genannt werden kann. Ich glaube nicht an eine wesentliche Beziehung sozialer Probleme zu der Aufgabe des Zionismus, das heißt, ich bin überzeugt, daß wenn die Wiedergeburt des jüdischen Volkes gelingen wird, sie auch im schlimmsten Kapitalistenstaat gelingen wird, und daß wenn sie scheitern sollte, sie es auch im sozialistischsten Staat täte. Ich kenne aber auch all jene Umwälzungen der Seele nicht, welche Sie verlangen, und von denen Sie behaupten erfasst zu sein, ich kenne nur die tiefe Stetigkeit einer Lehre welche freilich von Zion ausgegangen ist, ohne das Ohr der Zionisten zu treffen.
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Hochachtungsvoll Gerhard Scholem
Quelle: Gershom Scholem, Briefe I, 1914-1947, herausgegeben von Itta Schedletzky. München: Verlag C.H. Beck, 1994, S. 215-17.