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Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

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der Sittenlosigkeit und aller jener sittlichen Vergehungen, die insbesondere die christliche Ehe und die christliche Familie zerstören. Vom Theater in den großen Städten, wo angeblich die Bildung gepflegt wird, und den eleganten Romanen, die für diese Stände geschrieben werden, bis herab zu den kleinen Volksblättern, die man verbreitet und colportirt, ist es ja vielfach Frivolität, Sinnlichkeit und selbst Ehebruch, die in zahllosen Wendungen und Schilderungen dargestellt werden. Dagegen ist die christliche Kirche eben deßhalb Gegenstand des Hasses, weil sie ihrem göttlichen Gebote nach verpflichtet ist, gegen die Sittenlosigkeit anzukämpfen. Und wo deßhalb irgend ein Mensch, der die Religion übt, sich eines sittlichen Vergehens schuldig macht, wird dies mit höhnischer Freude von der sittenlosen Presse zu einer Waffe gegen die Religion gebraucht. Sie verkündet mit Triumphgeschrei jeden ähnlichen Fehltritt und raubt damit dem Volke und der Welt immer mehr den Glauben an wahre hohe Sittlichkeit und Keuschheit des Lebens. Die Annoncen vieler Blätter bieten eine Art Chronik der täglichen Lüderlichkeit und geben dem Volke die genaueste Kenntniß von allen verborgenen Wegen, auf denen dieses Laster einherschleicht. In England hat diese Richtung bereits eine solche Höhe erreicht, daß Blätter, die ausschließlich diese unselige Seite des Menschenlebens in Erzählungen, Romanen und in der Art einer öffentlich geführten Heirathsvermittlung für das Volk, für die Arbeiter, für die dienende Classe darstellen, in Hunderttausenden von Exemplaren abgesetzt werden. Ich zweifle nicht, daß diese Zustände in England unter der arbeitenden Bevölkerung wesentlich dazu mitgewirkt haben, in einigen Classen und Gegenden die Lebensdauer bis auf das durchschnittliche Lebensalter von fünfzehn Jahren herabzubringen. Was hätten wir aber erst zu erwarten, wenn unter solchen Verhältnissen die unbedingte Freiheit, Ehebündnisse zu schließen und zu lösen, eingeführt würde und die Civilehe zugleich im Geiste der Aufklärerei Herrschaft über das Volk gewinnen könnte! Es liegt in der Natur der Sache, daß die Arbeiter sich vielfach in großen Massen zusammenfinden. Sie ziehen in großen Schaaren zur Arbeit und kehren so von der Arbeit zurück; sie leben zusammen in großer Menge in den Arbeitshäusern; auch die verschiedenen Geschlechter sind bei allen diesen Gelegenheiten durcheinander geworfen. Was würde aus diesen Arbeitern werden, wenn das Christenthum seine Lehre über Sittenreinheit, über Keuschheit, über Sünde nicht mehr geltend machen könnte und wenn unter allen reizenden Gelegenheiten und Gefahren man dieser Volksmasse zurief: Es gibt kein festes Eheband mehr, ihr dürft heirathen und auseinanderlaufen, wie ihr wollt! Die Unzucht ist eine Gefahr, die früh an den Menschen herantritt und die oft in früher Zeit ihre allerfürchterlichsten Einflüsse übt, so daß sie sich jeder verhütenden Aufsicht fast entzieht. Nur ein christliches Mutter- und Vaterherz,

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