GHDI logo

Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

Seite 8 von 18    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Das zweite Hilfsmittel, welches die Kirche dem Arbeiterstand bietet, um auch seiner materiellen Noth Abhilfe zu gewähren, ist die christliche Familie mit ihrer Grundlage, der christlichen Ehe. Die christliche Familie gewährt dem Arbeiterstande drei wesentliche Vortheile, die auch für seine wirthschaftlichen Verhältnisse von ganz tief eingreifender Bedeutung sind.

Eine Gefahr, die den Arbeiterstand bedroht, liegt in der Auflösung aller wahrhaft organischen Bande, die sein Einzelleben schützen und hüten. Wir erinnern nur an die erste Gruppe der von der liberalen Partei vorgeschlagenen Hilfsmittel. Wie weit diese Auflösung in der Zukunft gehen wird, können wir nicht ermessen. Auch die Familie soll davon nicht ausgeschlossen bleiben. Unter jenen Maßregeln finden wir ja auch schon den Grundsatz, daß die Eheschließung von allen Hemmnissen irgend welcher Art befreit werden soll. Wir wollen nicht leugnen, daß in manchen Gegenden die Schließung der Ehe ungebührlich erschwert ist; auf der andern Seite ist aber eine gewisse Beschränkung berechtigt, in der Vernunft wie im Christenthum wohlbegründet, und eine Aufhebung aller Beschränkungen kann nur den Leichtsinn bei Schließung der Ehe befördern und dadurch die Familie beschädigen. Hierher gehört aber ferner auch das allgemeine Bestreben, die Ehe als ein rein bürgerliches Institut zu betrachten, die Civilehe einzuführen und bürgerlich die Ehe ganz von der Kirche zu trennen. Die Festigkeit der Familie ruht durchaus in der Religion und in der christlichen Lehre von der Ehe. Insbesondere ist die Auffassung der katholischen Kirche, daß die Ehe ein Sacrament ist und daß das Eheband nur durch den Tod gelöst werden kann, die unerschütterliche Grundlage ihrer Festigkeit. Wenn die Ehe lediglich als bürgerliches Institut betrachtet wird und wenn diese Anschauung in einem Volke durchdringen könnte, so wäre es um die christliche Familie und um die christliche Ehe geschehen. Es würde dann die eheliche Verbindung bald auch als ein bürgerlicher Vertrag erscheinen, den man nach Belieben durch gegenseitige Einwilligung wieder aufheben kann, und die Zahl der bürgerlichen Ehescheidungsgründe würde sich in's Unbestimmte vermehren. Dieser Zeitrichtung wird aber die Kirche und das Christenthum in Verbindung mit dem Gewissen des christlichen Volkes einen siegreichen Widerstand entgegenstellen, und es wird ihr nicht gelingen, weder durch Civilehe noch durch Beförderung leichtfertiger Ehebündnisse noch durch Erleichterung der Ehetrennung diesen von Gott gesetzten Organismus [Gen 1,27 f.; 2,18-24], der in seiner segenspendenden Kraft für alle Glieder der Familie unermeßlich ist, zu zerstören.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite