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Konservative Verurteilung von beruflicher Freiheit als Ergebnis einer eingreifenden staatlichen Bürokratie (1851)

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Schon aus socialem Conservatismus sollten Gemeinden und Innungen bei dem Meisterwerden und der Niederlassung zusehen, daß das nothdürftige Capital zum Gewerbebetrieb vorhanden sey. Neumodische Sentimentalität und Hoffart sieht in dem Gesellenstande nur das drückende Abhängigkeitsverhältniß, und nennt diese Forderung in ihrer Strenge inhuman. Der „Geselle“ heißt aber so viel als der „Genosse“ des Meisters; lächerlicher Weise aber wollen jetzt die Gesellen statt dieses viel ehrenwertheren und bedeutsameren Titels den der „Gehülfen“ führen! Sonst gab es auch noch einen „Gesellenstolz“, jetzt gibt es nur noch „Meisterstolz.“ Eines rechtschaffenen Meisters Gesell all seine Lebtage zu seyn ist lange so kein Unglück, als eines jämmerlichen Geschäftes Meister. Die Leute im Staatsdienste und sonstwo sind oft froh, wenn sie nur Gesellen seyn dürfen. Kann übrigens ein junger Handwerker Lohnersparnisse statt ererbten Vermögens nachweisen, so sollen sie ihm, wenn er um das Recht der Niederlassung anhält, bis zu doppeltem Betrage anzurechnen seyn, weil nämlich Fleiß und Sparsamkeit auch ein schönes Capital im Geschäfte ist. Das wäre zugleich ächt „bürgerlich“ gehandelt, nach dem Grundsatze unseres Standes, daß die Kraft Reichthümer zu erwerben ein größerer Besitz sey als der Reichthum selbst.



Quelle: Wilhelm Heinrich Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft. Stuttgart: J.G. Cotta, 1851, S. 252-54.

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