GHDI logo

„In den Grenzkinos: Mit Schmarren für die Freiheit!” Artikel aus dem Blickpunkt (April 1956)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Es gab kaum Sondervorstellungen, die unter diesen Bedingungen unbesucht blieben; und es gibt Kenner der Branche, die nachweisen, daß kaum noch ein Grenzkino in mangelhaftem baulichen Zustand sei. Viele dieser Theater konnten sogar neue Häuser in anderen Bezirken bauen. Das veranlaßte den Verband der Filmverleiher vor etwa drei Jahren, von den Theaterbesitzern auch für die „Ostfilme“ ein Entgelt, die Hälfte des sonst üblichen Verleihsatzes zu verlangen. Dennoch versuchten einige der Grenzkinos, statt eines platten Lustspiels eine Komödie mit Niveau zu bringen. Zu einem finanziellen Erfolg jedoch – der Basis jeden Kinos – kamen sie nur, wenn die Umgebung ihnen genügend Interessenten zuführte, nicht nur „Halbstarke“, die ihren Engel im Knockout sehen. Wer nur am späten Nachmittag oder am Abend Zeit hat, kann ohnehin nur in die anderen Westkinos gehen. Für diese Ostbesucher, die sogar den erhöhten Eintrittspreis bezahlen – wenngleich auch in den regulären Vorstellungen gewisse Ermäßigungen gewährt werden –, wäre es angebracht, „Sondervorstellungen“ mit erhöhtem Niveau zu veranstalten. Aber sie sind gehandicapt.

Wir wollen nicht auf die scheinheiligen Argumente der Ostpresse eingehen, die behauptet, die Jugendlichen würden durch die Filme zu kriminellen Handlungen angeregt. Das Problem wäre auch kaum weniger umstritten, wenn die Kinobesitzer nicht sagen könnten, jeder aufgeführte Film sei bereits von der Selbstkontrolle geprüft, so daß keine Bedenken bestehen können. Aber über den Wert jener Zelluloidprodukte, mit denen die „kulturelle Hilfe“ des Westens dokumentiert werden soll, besteht dessenungeachtet kaum ein Zweifel. Warum soll man etwas propagieren, was selbst hierzulande umstritten ist?

Weniger wäre mehr!

Solange der Steuerzahler nicht aus eigener Tasche dazu beiträgt, brauchte man die Frage nicht zu stellen, ob eine andere Programmauswahl angebracht sei oder nicht. Aber jährlich rund 600 000 DM macht der Erlaß der Vergnügungssteuer von 20 Prozent für die rund 2,5 Millionen Besucher der Grenzkinos aus. Warum soll man etwas subventionieren, wenn die Ausstattung der Kinos den Schluß zuläßt, daß nicht eine Existenzfrage auf dem Spiele steht? Einige Besitzer von Grenzkinos sagen, bei einem Eintrittspreis von 30 Pfennig wäre der Besuch nicht geringer, und auf die Vergnügungssteuer brauchte nicht einmal verzichtet zu werden, weil sie durch die Einnahmen gedeckt sei. Gewiß, ein Posten von 600 000 DM fällt bei einem Etat der Stadt Berlin von zwei Milliarden kaum ins Gewicht. Aber zur Finanzierung von Räuberpistolen erscheint auch diese Summe nicht angebracht. Bleibt die Frage: sollte man nicht die Zahl der Grenzkinos auf eines oder zwei pro Sektor reduzieren? Allerdings unter der Bedingung, daß sie wirklich gute Filme, und zwar auch im Abendprogramm als „Sondervorstellung“ für Ostbesucher spielen.



Quelle: Werner Berger, „In den Grenzkinos: Mit Schmarren für die Freiheit!“, Blickpunkt 51, April 1956, S. 16-17.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite