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Adolf Busemann, „Verwilderung und Verrohung” (1956)

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Verrohung

Gegen die Verwilderungsgefahren in den Erregungsphasen (Krisenjahre) gibt es bekanntlich en probates Mittel, das allerdings schwer zu beschaffen ist: Aufsicht. Erfreulich ist an dem Bericht über die Wildwest-Bande in Essen, dass die Eltern einige 10 000,- DM Schadenersatz leisten müssen. Sie werden daraus lernen, was für Pflichten Väter und Mütter tatkräftiger Söhne haben. Mehr Kopfzerbrechen macht uns, was gegen Verrohung zu tun sei. Was ist Verrohung?

Während der Begriff „Verwilderung“ nur unter Zuhilfenahme des Begriffs menschlicher Gemeinschaft und ihrer Ordnung in Sitte und Recht zu definieren ist (man vergleiche etwa „das Wild“ und das zahme „Haustier“!), betrifft der Begriff „Rohheit“ das Verhalten zu fremdem Leben (leiblichem oder seelischem) und lässt sich als ein Mangel an Respekt für dieses umschreiben. [ . . . ]

Was zu tun ist? Nur weitausholende, politische Maßnahmen kommen in Betracht. Eine Kritik an der Inhumanität der östlichen Diktatur ist eitler Pharisäismus und noch Schlimmeres, nämlich Lüge und Selbstbetrug, wenn wir nicht dem aus Missbrauch der demokratischen Freiheit entspringenden Prozess der Verwilderung und Verrohung durch energische sozialpolitische und sozialpädagogische Aktivität Einhalt gebieten. Unterbleibt dies, dann schlägt eines Tages die Freiheit, zu verwildern und zu verrohen, in eine harte Disziplin um, die mit diesen Freiheiten auch die Freiheit des Denkens und des Glaubens aufhebt.



Quelle: Adolf Busemann, „Verwilderung und Verrohung“, Unsere Jugend, April 1956, S. 159-168.

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