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Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Geschlechterverhältnisse” (1845-1848)

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Daß hier die Stimme der Natur nicht so ganz leicht verständlich für Alle spricht, und daß wenigstens Gewohnheit und menschliche Leidenschaft so viele Generationen hindurch ihre Stimme verfälschten, dieses zeigt die ganze Geschichte. Sie zeigt, wie die Gewalt und Herrschsucht der stärkeren Männer die schwächeren Frauen unterdrückten und eine weit größere Rechtsungleichheit für dieselben Jahrtausende hindurch festhielten, als jetzt die freien, gesitteten Nationen für recht und zulässig erklären, während neuerlich, zuweilen auch von geistreichen Männern, wie von Bentham, St. Simon, Fourier, und von revolutionären Frauen, wie Harriet Martineau, solche Rechtsgleichheiten gefordert werden, welche so vielen Anderen als unvernünftig und für die Frauen selbst verderblich erscheinen. Eilten nun diese einzelnen Männer und Frauen vielleicht nur ihrer Zeit voraus? Soll eine weiter fortschreitende Civilisation uns wirklich dahin führen, die Unterordnung der Frau unter den Mann, und somit auch alle Festigkeit des Ehebandes und das wahre Familienleben aufzugeben, dahin, daß wir, statt der Weiblichkeit, Keuschheit und Schamhaftigkeit der Frauen, ihre gleiche unmittelbare Theilnahme an unseren öffentlichen Wahl- und Parlamentsversammlungen und an den Staatsämtern, überhaupt an allen männlichen Bestrebungen und Kämpfen, auch den kriegerischen, als ihre höchsten Ehren und Güter ansehen sollen? Oder sollen wir umgekehrt die Zustände der Alten preisen und mit Herrn Vollgraff unser würdigeres Familienleben als das Hinderniß wahrer Freiheit betrachten? Ist nicht auch die Zulassung der weiblichen Königswürde bei den gebildetsten Völkern, dieses als unnachtheilig gefundene Zugeständniß gerade des höchsten aller männlichen politischen Rechte, der Beweis, daß nur Vorurtheil oder Despotismus von der einen, Erniedrigung von der anderen Seite der vollen Rechtsgleichheit bisher entgegenstanden? Und haben endlich die Gegner des freien, auf Einwilligung und Vertrag gegründeten Gesellschaftssystems, haben die Haller und Bonald wirklich Recht, daß dieses System durch das Ausschließen des politischen Mitstimmens und der völligen politischen Gleichheit der Frauen sich selbst aufgebe? Eine Ansicht, welche jene ultrademokratischen Anhänger der politischen Gleichheit natürlich zur Unterstützung ihrer Theorie benutzen. Bedenkt man, in welchem Grade die Gewohnheit bisheriger Zustände, Vorurtheile und die Interessen der Stärkeren hier, wie überall, bei despotischen und aristokratischen Verhältnissen das Urtheil auch der besten Forscher bestachen, so wird schon aus diesem Gesichtspunkte die Entscheidung über diese Rechtsverhältnisse die möglichst unbefangene Prüfung erheischen. Sie thut es um so mehr, da der heutige große Reformationstrieb auch in dieser Beziehung sich äußert und öfter die rechten Bedingungen und Gränzen übersieht. Es möchte auch für uns Männer nicht ziemlich und es möchte vielfach nachtheilig sein, auch nur den Schein übrig zu lassen, als beständen die bisherigen Verhältnisse nur durch den Despotismus und die Eigensucht der Männer fort. Jedenfalls aber kann endlich nur eine von den richtigen Gründen ausgehende Bestimmung uns, selbst wenn wir die volle Gleichheit der Rechte nicht zugestehen könnten, die rechte Art und das rechte Maß der Beschränkung geben, unnöthige, also ungerechte Ungleichheit ausschließen, jene Zweifel in Beziehung auf die allgemeine Staatstheorie beseitigen und die Gesetzgebung über die Vergehen in Beziehung auf die Geschlechtsverhältnisse richtig leiten.

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