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Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Familie, Familienrecht” (1845-1848)

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Zur Familie im engern Sinne gehören blos die durch Ehe und unmittelbare Abstammung unter sich natürlich und allernächst verbundenen Personen, also Ehegatten und Kinder. Man rechnet jedoch im weitern Sinne die Gesammtheit der von einem gemeinschaftlichen Stammvater Abstammenden, wohl auch mit Einschluß der durch Heirath mit denselben Verbundenen zu ihr; ja man nimmt in den Begriff der Familie auch noch die Dienstboten auf, weil auch diese die Genossen des einen Hauptcharakter der Familie im engern Sinne bildenden gemeinschaftlichen Lebens derselben sind. Es sind hiernach dreierlei (oder viererlei), unter sich wesentlich verschiedene Verhältnisse bei ihr vereinigt vorhanden und hiernach auch eben so vielerlei Principien für ihre vernunftrechtliche Ordnung maßgebend. Nicht aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht, sondern nur aus der besondern rechtlichen Natur jener drei oder vier Verhältnisse, nehmlich jenes der Ehegatten unter sich, sodann des zwischen Eltern und Kindern (das zwischen den Kindern unter sich hat wenig Besonderes) und endlich des zwischen Dienstherren und Dienstboten läßt ein vernünftiges Familienrecht sich ableiten. Wir wollen einen kurzen Blick auf diese drei (oder vier) Verhältnisse werfen.

Die Ehe ist die erste Grundlage der Familie. Was ist die Ehe von vernunftrechtlichem Standpunkt? Schwerlich wird man von ihr mit Zustimmung des gemeinen Menschenverstandes einen andern Begriff aufstellen können, als den einer zum Zweck des mit dem Sittengesetz oder mit der edlern Menschennatur übereinstimmenden Genusses der Geschlechtsliebe geschlossenen Verbindung zwischen Mann und Weib. Nur durch diese Begriffsbestimmung nehmlich wird die überall unter den civilisirten, ja selbst unter den noch in natürlicher Einfalt lebenden Völkern herrschende Idee der Würde, ja Heiligkeit, der Ehe befriedigt, [ . . . ]

Die moralische Grundlage des Eherechts nun besteht darin, daß nicht die Befriedigung des Geschlechtstriebes schlechthin (weil insofern der Mensch dem Thiere gleich stände) der Zweck der Ehe sein kann, sondern nur eine veredelte, d. h. der höheren Menschenwürde und der vernünftigen Natur des Menschen entsprechende. Die Veredlung jenes Triebes geschieht allernächst durch die Liebe, welche die ganze Kraft desselben auf eine Person lenkt und im Geschlechtsgenusse nichts Anderes als den Ausdruck solcher Liebe, als die innigste Vereinigung mit der geliebten Person begehrt. Die natürliche Folge der Geschlechtsvereinigung weist sodann auf den Naturzweck des Geschlechtstriebes — Fortpflanzung der Gattung hin, und daher auf die Pflicht, denselben nicht anders als in Uebereinstimmung mit solchem Zweck zu befriedigen. In der aufrichtigen Pflege jenes Gefühles und in der treuen, thätigen Anerkennung dieser Pflicht nun besteht die geforderte Veredlung des Geschlechtstriebes, und durch Aufstellung solcher Veredlung als Charakter und als Zweck der Ehe entsteht das vernünftige Eherecht.

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