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Ein Journalist diskutiert die Ergebnisse des „Exzellenzwettbewerbs” unter Universitäten (19. Oktober 2006)

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Wettbewerb macht neue Stärken sichtbar

Mancher sieht hinter dem Vorgehen der Politik, mit einer Hand zu nehmen und mit der anderen zu geben, Verlogenheit am Werk. Doch schon die nun prämierten Projekte lassen erahnen, daß manche Zukunftsidee und manches fächerübergreifende Projekt ohne den Wettbewerb nicht entstanden wäre. Daß sich an der Humboldt-Universität Mediziner, Psychologen, Philosophen, Mathematiker, Biologen, Linguisten und Rechtswissenschaftler zur „School of Mind and Brain“ zusammenfinden, um die Breitenwirkung der Hirnforschung zu untersuchen, wird weit jenseits der Drittmittelrankings Früchte tragen.

Zudem macht der Wettbewerb neue Stärken sichtbar. Dresden etwa ist auf einem guten Weg, sich zum deutschen Zentrum der Stammzellforschung und der Regenerativen Medizin zu mausern. Nachdem es dort schon ein DFG-Forschungszentrum für Stammzellforschung gibt, einen thematisch verwandten DFG-Sonderforschungsbereich und ein Max-Planck-Institut mit aktiver Stammzellforschung, kommen nun eine Graduiertenschule für „Biomedizin und Bioingenieurwesen“ sowie das Exzellenzcluster „Von Zellen über Gewebe zu Therapien“ hinzu.

Falscheste und gefährlichste Folgerung befördert

Besondere Aufmerksamkeit hat Dresden auch verdient, weil es der einzige Sieger aus Ostdeutschland ist. Die wichtigsten forschungspolitischen Schlachten werden in den kommenden Jahren dort sowie in den Nordstaaten geschlagen, wo zusammen nur 14 Prozent der Exzellenzmittel aus der ersten Runde landen: Mancher Finanzminister wartet nur auf Rechtfertigungen dafür, seine Wissenschaftsausgaben zu reduzieren, die maroden Haushalte sanieren zu können.

Daß „nicht exzellent“ zweitklassig heißt und Zweitklassiges kein Geld verdient, ist die falscheste und gefährlichste Folgerung, die der Wettbewerb aber indirekt befördert. Wenn es den Wissenschaftsvertretern nicht gelingt, den Haushältern zu erklären, daß es ohne Berge keine Gipfel gibt und der Aufstieg möglich ist, könnte es um die Zukunft des Nordens und Ostens schlimm bestellt sein. Vielleicht ist der Ärger, mit dem der Kieler Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Austermann auf die Ergebnisse reagiert hat, nicht nur Ausdruck von Provinzegoismen, sondern eine Ahnung von den Gefahren, die das Exzellenzmarketing birgt.

Wirkt das Geld eher demotivierend als motivierend?

An diesem Dienstag abend war in einer Berliner Diskussionsrunde bereits die Warnung vor einer „neuen Unterschicht“ von Universitäten zu hören. Forschungsministerin Schavan wies das zwar als blanken Unsinn zurück, sie muß aber noch darlegen, wie Bund und Länder den Schwächeren helfen, ihre Aufstiegchancen zu nützen. Diese Frage stellt sich besonders für die Fortsetzung des Exzellenzwettbewerbs über das Jahr 2011 hinaus. Fließt das Geld der nächsten zwanzig Jahre nach München und Karlsruhe, könnte der Wettbewerb in der Gesamtwirkung mehr demotivieren als motivieren.

Vorerst überwiegen die Vorteile: Besonders erfreulich für den Akademikeralltag ist das Instrument der Vollkosten nach angelsächsischem Vorbild, das nun endlich Einzug hält. Erfolgreiche Wissenschaftler, die effizient Drittmittel einwerben, hatten bisher das Problem, daß sie sich ihre Kosten für Personal, Verwaltung und Geräte von ihrer Hochschule besorgen mußten – und sich dabei oftmals unbeliebt machten, da sie anderen die Ressourcen wegnahmen. Im Exzellenzwettbewerb gibt es einen automatischen Vollkostenzuschlag von zwanzig Prozent – Schavan will dies auf die gesamte Forschungsförderung ausdehnen.



Quelle: Christian Schwägerl, „Exzellenzwettbewerb. Die neue Forschungslandschaft“, FAZ.NET, 19. Oktober 2006. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

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