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Unterschiedliche Meinungen zum Erfolg von „Juniorprofessuren” (13. Juli 2006)

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Tenure track-Stellen für Juniorprofessuren bleiben allerdings, so die CHE-Untersuchung, die Ausnahme. Dabei halten eigentlich drei Viertel der vom Centrum für Hochschulentwicklung befragten Hochschulleitungen die Qualität der Juniorprofessoren für hoch, nur ein Viertel hat zu kritteln. Auch die meisten Zwischenevaluationen sind positiv verlaufen. Doch die offensichtlich hohe Qualität der berufenen Jungprofessoren zieht keine neuen Stellen, keine erhöhte Nachfrage nach sich, aus einem einfachen Grund: An den meisten Universitäten konkurrieren klassische Habilitanden und Juniorprofessoren gegeneinander. »Dieser Wettbewerb ist schon weise«, sagt dazu Hochschulverbands-Präsident Kempen.

Mag sein. Auf jeden Fall aber ist es auch ein unfairer Kampf, schließlich haben die Juniorprofessoren einen gravierenden Wettbewerbsnachteil: Sie müssen nicht nur lehren, oft mehr als Habilitanden, sie müssen Prüfungen abnehmen, und sie müssen sich oft auch noch an der akademischen Selbstverwaltung beteiligen. Bei Berufungsverhandlungen zählen aber vor allem Forschungsergebnisse. Und für gute Forschung haben die Jungwissenschaftler kaum Zeit. »Man kann die Forschungsleistung nicht zum eigentlichen Kriterium machen«, sagt die Bremer Juniorprofessorin Dorothea Nolde. Auch ihre Bremer Kollegin Dagmar Borchers kennt die Mühen des Alltags: »Man ist sehr damit befasst, dass man sich nicht im Tagesgeschäft verliert.« Florian Buch vom CHE sagt: »Die Juniorprofessoren müssen vieles machen, was nicht zur Publikationsliste beiträgt.«

Vorsichtshalber habilitieren sich viele noch zusätzlich

Ein Blick in die Statistiken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hinterlässt ein gemischtes Bild. Während sich Jungprofs aus den Natur- und Lebenswissenschaften sehr erfolgreich um Gelder für Forschungsprojekte bewerben, schneiden Geistes-, Sozial- und Ingenieurwissenschaftler deutlich schlechter ab als der Durchschnitt. »Die Natur- und Lebenswissenschaften sind schon weiter und lassen eine größere Bandbreite an Karrierewegen zu«, sagt Beate Scholz von der DFG. In vielen Fächern, besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften, ist die Habilitation, die Prüfung nach dem zweiten großen Buch, noch immer eine entscheidende Voraussetzung für einen Ruf. Daher habilitieren sich zahlreiche Jungwissenschaftler noch neben dem Kerngeschäft als Juniorprofessor. »Das ist von der Sache her Unfug, aber im individuellen Fall klug«, sagt der Historiker Tassilo Schmitt.

Dass eine Nebenbei-Habilitation länger dauert als der Standardweg, liegt auf der Hand – und könnte eine Begründung sein für den Rückgang der Habilitationen im Jahr 2005. Zunächst hatte das Statistische Bundesamt die Juniorprofessur als Begründung aufgeführt. Auf Nachfrage heißt es nun: »Wir können das wirklich definitiv erst in den nächsten Jahren sagen.« Auch unter den vom CHE befragten Hochschulleitungen glaubt nur eine Minderheit, dass die Habilitation ihre Bedeutung verliere – die große Mehrheit meint, dass sich fächerspezifische Verfahren durchsetzten.

Was Wunder, dass die Stimmung bei den Juniorprofessoren nicht mehr so euphorisch ist wie noch vor einigen Jahren. »Ich hätte mir eine höhere Akzeptanz vorgestellt«, sagt Lars Frormann, Jungprofessor in Clausthal und als Chef des Fördervereins Juniorprofessur ein dezidierter Lobbyist des neuen Modells. Frormann selbst stieß in Clausthal auf Hürden, hatte »interne Anerkennungsschwierigkeiten«, wurde zu Gremiensitzungen nicht eingeladen. Jetzt wird er Clausthal verlassen, er hat einen Ruf an die Fachhochschule Zwickau bekommen. Dabei befindet er sich in einer glücklichen Lage: Bloß ein Drittel der Nachwuchswissenschaftler, schätzt er, werde auf eine Lebenszeitstelle übernommen werden. Den anderen drohe das Schicksal, von der Alma Mater ins berufliche Aus geschubst zu werden. »Viele werden rausfallen«, sagt Frormann, »die Stellen sind nicht da.«

Die Vorbehalte gegen die Juniorprofessur sind auch deshalb so groß, weil Edelgard Bulmahn seinerzeit versucht hatte, ihr Konzept mit Brachialgewalt durchzusetzen und damit die Habilitation abzuschaffen. Sie landete, wie der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel damals formulierte, vor dem Bundesverfassungsgericht »auf dem Steiß«. Die Richter hielten Bulmahns Vorstoß für Kompetenzpiraterie, Bildungspolitik sei Sache der Länder, der Bund habe dabei nichts zu melden. Bulmahn hielt trotzdem an ihrem Einsatz für die jungen Wissenschaftler fest – und sieht ihr Baby heute noch als »erfolgreiches Mittel«, das an den Universitäten »nicht mehr ernsthaft infrage gestellt wird«.

Doch vom Bundesbildungsministerium unter Führung der CDU-Ministerin Annette Schavan kommen kaum ermutigende Signale für die Jungprofessoren. Ministeriumssprecher Florian Frank bezeichnet das Instrument Juniorprofessur zwar als »Talentschmiede«, verweist aber stoisch auf Gespräche mit den Ländern – ein klares Bekenntnis zum neuen Modell hört sich anders an. »Das Ministerium hat noch nicht Stellung bezogen«, klagt der Experte Tassilo Schmitt, »die Juniorprofessoren kommen sich verlassen vor.« Annette Knaut, die Vorsitzende der Doktorandenvereinigung Thesis, klagt: »Die Bundesregierung äußert sich sehr verhalten.« Und Petra Sitte, die Bildungsexpertin der Linkspartei im Bundestag, sagt: »Das Ministerium wartet noch ab.«

Der Bund hält sich zurück, die meisten Universitäten sind passiv, die Juniorprofessoren verunsichert. Lars Frormann vom Förderverein Juniorprofessur zieht ein ernüchtertes Fazit. »Ich würde es selber wohl noch mal machen«, sagt er, der gerade einen Ruf bekommen hat, »aber ob ich jemand anders raten würde, eine Juniorprofessur zu übernehmen? Ich weiß es nicht.«



Quelle: Manuel J. Hartung, „Ein letzter Gruß“, Die Zeit, 13. Juli 2006.

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