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Prof. Schultze-Naumburg und Walter Gropius, „Wer hat Recht? Traditionelle Baukunst oder Bauen in neuen Formen” (1926)

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V.

Es ist eine dem Deutschen ganz besonders anhaftende Eigenschaft, sich von fremdartigen Eindrücken derartig beeinflussen zu lassen, daß er nicht nur verstehend tief in andere Kulturen einzudringen vermag, sondern sich auch zu Versuchen hinreißen läßt, in solchem fremden Geiste gestalten zu wollen. Zweifellos hat diese Neigung bei uns schon stark mitgesprochen, als das Erbe der antiken Kulturwelt in der Renaissance so umfassend aufgenommen wurde. Nur darf man dabei nicht übersehen, daß es sich bei ihr um eine aus stark verwandtem Blute handelt. Wenn man es nun schon etwas hart, aber nicht ganz mit Unrecht als Theater bezeichnet, wenn sich jemand unter unserem nordischen Himmel einen italienischen Palast baut, wobei sich in der Tat allerlei klimatische Widersprüche ergeben, – welches Theater ist es dann erst, wenn man dem Deutschen heute Häuser empfiehlt, die ihr Vorbild ganz deutlich in der ostasiatischen, indianischen oder gar der Negerkunst sehen?

VI.

Neben dieser, oft recht seltsame Blüten treibenden Wahlverwandtschaft besteht in weit höherem Grade, als man gewöhnlich annimmt, im deutschen Volkskörper auch echte Blutsverwandtschaft mit gänzlich Fremdem.

Da dieser deutsche Volkskörper eine Allvermischung darstellt, in dem auch mongolides, negrides und manches andere Blut eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt, so darf es nicht wundernehmen, wenn auch die künstlerischen Instinkte oft recht weit auseinandergehen. Denn sie sind nicht so eine Angelegenheit der Erziehung als der Vererbung. So werden manche Persönlichkeiten darin auftauchen, die, ohne es notwendigerweise zu wissen, sich ihrem Bluterbe nach nicht zu unserem nordischen Formenkreise hingezogen fühlen, sondern denen ihr Blut befiehlt, davon loszukommen.



Quelle: Walter Gropius und Paul Schultze-Naumburg, „Wer hat Recht? Traditionelle Baukunst oder Bauen in neuen Formen“, Uhu, Nr. 7 (1926), S. 30-40.

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