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Der Auslandseinsatz (2. November 2006)

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Plötzlich liegen an der Tankstelle des Vaters diese Zeitungen aus: Soldaten in Wüstentarn, Soldaten mit Totenschädeln, Soldaten wie Hooligans. In Afghanistan eilen Bundeswehrmajore in die Moscheen und bitten die Imame, ihre Freitagsgebete nicht zu wütend zu gestalten. Das Verteidigungsministerium will Panzer nach Masar-i-Scharif verlegen, falls Evakuierungen nötig sein sollten. Martina Schulz schreibt eine E-Mail an die Bild-Zeitung mit dem Wunsch, ihren Sohn durch neue Fotos nicht noch mehr zu gefährden; die Antwort liegt am nächsten Tag am Kiosk. Die Medien rufen »Schock!« und »Skandal!« Der Minister spricht erstmals von »Rückzug«, wenn auch aus Bosnien.

Schulz lackiert noch ein U-Boot-Modell.

Er will jetzt keine Angst haben. In wenigen Tagen wird er am Flughafen sein, auf seinem Weg aus kindlicher Geschichtsgeborgenheit in die Brutalitäten der Welt. In seinem Rucksack der erste Teil des Herrn der Ringe. In seinem Kopf die flehentliche Bitte der Mutter: Mach dich unsichtbar. Auf seinem Helm die guten Wünsche seiner Freunde und Familie. »Ich vermisse Dich jetzt schon«, »Komm wieder«, »Big sister is watching you … Anica.« So wird er dort warten, Björn Uwe Schulz, 20 Jahre alt, ein Soldat aus Deutschland. Trotz seiner Angst vor Spritzen geimpft gegen Polio, Diphtherie, Hepatitis, Meningokokken, Masern, Mumps, Röteln, Influenza, Tetanus, Typhus und Tollwut.

Am Freitag, dem 10. November, kurz vor neun Uhr, wird sein Flugzeug abheben und bald im Herbsthimmel über Köln verschwunden sein. Es wird keine Meldung in den Nachrichten geben. Doch seine Mutter hat das Radio eingeschaltet.



Quelle: Henning Sußebach, „Schulz zieht in den Krieg. Wie ein 20-jähriger Hauptgefreiter aus Berlin auf die Mission in Afghanistan vorbereitet wird – eine Geschichte aus einer Armee, für die Auslandseinsätze Alltag geworden sind“, Die Zeit, Nr. 45, 2. November 2006.

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