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Deutschland und die UNO (7. Juli 2005)

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Contra: Weniger Menschen, weniger Soldaten: Wir Deutschen sind keine Macht von morgen. Von Thomas Kleine-Brockhoff

Gäbe es tatsächlich die »bezaubernde Jeannie«, jenen Flaschengeist aus der Fernsehserie, die ihrem Meister jeden Wunsch erfüllt, so säße Deutschland morgen schon im Weltsicherheitsrat. Da Wünschen in der realen Welt nicht reicht, stellen sich auf dem Weg nach New York ein paar dornige Fragen: Liegt eine ehrgeizige Kampagne um einen Ratssitz im deutschen Interesse? Ist der Bedarf so dringend, dass er die politischen Kosten wert ist? Verspricht die deutsche Strategie Erfolg oder nur Blamage?

Der beste Satz aus der Bewerbungsmappe lautet: Wer zahlt, schafft an. Deutschland ist mit 8,6 Prozent des UN-Budgets drittgrößter Zahler. Da wird man Mitspracherecht verlangen dürfen. Doch mit diesem scheckbuchdiplomatischen Argument endet auch schon die deutsche Herrlichkeit. Es stimmt zwar, dass der Sicherheitsrat die Machtverhältnisse von 1945 abbildet und nicht die heutigen. Das bedeutet aber nur: Er sollte Mitglieder aus Asien, Afrika oder Südamerika rekrutieren. Schon heute ist Europa überrepräsentiert. Drei der fünf ständigen Mitglieder stammen aus Europa, nämlich England, Frankreich und, zur Hälfte, Russland. Warum noch eine vierte europäische Macht dazukommen soll, bleibt unerfindlich.

Und warum gerade Deutschland? Anders als Indien ist Deutschland keine Macht von morgen. Die Wirtschaft stagniert. Der Anteil am Welthandel sinkt. Genauso die Zahl der Soldaten und der Einwohner. Die Bundesrepublik ist ein schrumpfendes Land mit wachsenden Ambitionen. Staatskunst wäre das kluge Management dieses Spannungsfeldes. Stattdessen geben sich die Advokaten des Ratssitzes wie die Manta-Fahrer der deutschen Außenpolitik. Sie legen den Wagen tiefer, lassen den Motor aufheulen und hoffen, dass niemand merkt, wie wenige PS unter der Haube stecken.

Käme Deutschland in den Rat, wäre es an jeder Entscheidung über Krieg und Frieden beteiligt und müsste für die Folgen Mitverantwortung übernehmen. Das hieße: zahlen und Soldaten schicken. Fürs Militär aber gibt Deutschland so wenig aus wie sonst nur Luxemburg: 1,2 Prozent des Bruttosozialproduktes. Ist die Republik wirklich bereit, die Etats für Entwicklungshilfe und für Verteidigung deutlich aufzustocken, um am Tisch der Großen Platz zu nehmen? Sogar für den ethisch und völkerrechtlich einwandfreien Verteidigungsschlag gegen das afghanische Terroristenregime bedurfte es einer Vertrauensabstimmung im Bundestag, um Truppen zu schicken. Was wird Deutschland in verzwickteren Fällen tun, sollte der Sicherheitsrat zu einer Entscheidung nötigen? Will die Republik tatsächlich jene »Kultur der Zurückhaltung« aufgeben, auf die sie so stolz ist?

Die Befürworter der Kandidatur wenden ein, ein Verzicht führe zur Gartenzwergoption deutscher Außenpolitik. Doch diese Automatik gibt es nicht. Tatsächlich wird Deutschland in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen müssen – auch ohne Ratssitz. Die Regierung kann ihr Engagement dann aber auf Fälle begrenzen, in denen Macht, Mittel und Wille ausreichen und sich zudem mit dem nationalen Interesse kreuzen. Ein Verzicht auf eine Kandidatur entlässt die Republik nicht in die Unverantwortlichkeit, sondern erhöht die Entscheidungsfreiheit deutscher Außenpolitik. Deutschland ist eben keine Welt-, sondern eine Mittelmacht.

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