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Die transatlantische Allianz im Spiegel neuer Verhältnisse (6. Februar 2005)

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Freundlichkeit auf tönernen Füßen

Die neue deutsch-amerikanische Freundlichkeit steht auf tönernen Füßen. Zu tief war das Zerwürfnis über den Irak-Krieg, als daß jetzt alles ganz schnell gehen könnte. Stephen Szabo, unter den amerikanischen Wissenschaftlern einer der besten Kenner des politischen Verhältnisses zwischen Washington und Berlin, berichtet in seinem jüngsten Buch, wie sehr vor allem Bush die Angelegenheit persönlich genommen habe. Als Schröder schon wieder Signale nach Washington habe senden lassen, er sei an einer Reparatur der Beziehungen interessiert, habe Bush noch lange seinen Mitarbeitern jegliche Reaktion verboten.

Ein zweiter Grund für die Vorsicht bei der jetzigen Wiederannäherung ist die Erkenntnis auf beiden Seiten des Atlantiks, daß es nicht darum geht, die jahrzehntelang eingespielte Beziehung zweier Partner wieder auf die alten Wege zurückzuführen. Karsten Voigt, Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, sagt, die „geostrategischen Bedingungen“ hätten sich geändert. Deutschland sei nicht mehr der im Zentrum eines weltpolitischen Krisenszenarios gelegene „Importeur“ von Sicherheit, sondern sei mittlerweile als „Exporteur“ gefragt. Bevor es bei einem solchen Sicherheitsexport mitmache, müsse es jedesmal von neuem „überzeugt“ werden. Zwar sei es kein „Nein-Land“. „Aber Deutschland ist nicht mehr automatisch ein Ja-Land.“

Überraschendes persönliches Gespräch

Es fügt sich, daß die Bemühungen der Regierung Bush, Deutschland wieder in den Arm zu nehmen, zeitlich in eins fallen mit der Wahl im Irak. Legt man die Schichten unterhalb von Schröders und Außenminister Fischers wohlwollender öffentlicher Reaktion auf die Irak-Wahl frei, so kommt schnell wieder festes Gestein hervor. In diesen Tagen, da Bush Innenminister Otto Schily in Washington die Ehre eines überraschenden persönlichen Gesprächs zuteil werden läßt, da die Außenministerin anreist, der Präsident schon mal über den Atlantik winkt, verbleibt die Bereitschaft der Bundesregierung, sich nun stärker im Irak zu engagieren, erstens in engen Grenzen und zweitens vage. Bei der Formulierung einer Verfassung bieten Schröder und Schily Hilfe an, beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen ebenso. Der Kanzler ist bereit, die Ausbildung irakischer Polizisten oder Soldaten in den Vereinigten Arabischen Emiraten fortzusetzen, sogar auszuweiten, falls gewünscht. Doch wer in der Regierung nachfragt, wie konkret diese Pläne seien, ob man an die Entsendung deutscher Beamter nach Bagdad denke, erhält die Auskunft, das sei noch nicht im einzelnen geplant, und über allem schwebe die Frage nach der Sicherheit. Seine grundsätzliche Position in der Irak-Politik verändert Berlin um keinen Millimeter.

„Bush meint das mit der Demokratie ernst“

Am weitesten geht noch Karsten Voigt, wenn er sagt, diejenigen, die bislang bestritten hätten, daß es die Chance zu mehr Demokratie im Irak gebe, müßten nun „etwas vorsichtiger“ sein. Und wer bislang angenommen habe, es sei Bush im Irak nur ums Öl gegangen, der müsse spätestens mit der Wahl seine Meinung ändern: „Bush meint das mit der Demokratie ernst.“ Gernot Erler, führender Außenpolitiker der SPD-Fraktion, der Schröders Ohr in außenpolitischen Fragen hat, reagiert zurückhaltender. Es dürfe nicht vergessen werden, daß der Grund für den Irak-Krieg nicht die Wahl gewesen sei, sondern die von Amerika behauptete Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. Daher könne Amerika die Europäer jetzt nicht auffordern: „Nun gebt endlich zu, daß der Krieg berechtigt war.“

So sehr Berlin sich vorgenommen hat, derzeit öffentlich nicht an der Entwicklung im Irak herumzunörgeln, so deutlich geschieht das immer noch hinter den Kulissen. Der hohe Preis für die Befreiung sei der Terrorismus, und nach wie vor drohe die Gefahr, daß auf das Regime Saddam Husseins ein schiitisch-fundamentalistisches folgen könnte, ist zu hören. Es ist auch in diesen Tagen zu spüren, daß die harte Rhetorik der nicht allzu fernen Vergangenheit noch präsent ist. Schon eine negative Wende im Irak, ein neuer Streit mit Washington oder die Not eines Wahlkämpfers könnte sie rasch wieder ans Licht der Öffentlichkeit befördern.

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