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Friedensmission in Kroatien: Bundestag beschließt die Entsendung von Bundeswehreinheiten (6. Dezember 1995)

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Unsere Soldaten sollen wissen, daß die große Mehrheit unseres Volkes hinter ihnen steht. Unsere Soldaten sollen wissen, daß sie ihre verantwortungsvolle und nicht ungefährliche Aufgabe für eine wichtige, für eine gute Sache, für den Frieden erfüllen. [ . . . ] Die Friedenstruppe kann den Frieden gewiß nicht allein verwirklichen. Der entscheidende Beitrag muß von allen Konfliktparteien kommen. Aber die Friedenstruppe kann dazu beitragen, daß die Umsetzung des Abkommens von Dayton eine Chance auf Verwirklichung erhält. Bei diesem Einsatz für den Frieden, an dem sich schon unter Führung der NATO die USA, europäische Staaten, Rußland und Staaten der islamischen Welt beteiligen, dürfen wir Deutschen nicht abseits stehen. Deutschland hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten stets auf die Solidarität seiner Verbündeten verlassen können. Heute sind wir aufgerufen, in einem veränderten politischen Umfeld [ . . . ] Solidarität zur Erhaltung des Friedens zu beweisen. Hier beiseite zu stehen hieße, den Menschen im ehemaligen Jugoslawien ihre Chance zum Frieden zu verweigern. Durch die Einbeziehung Rußlands in den Friedensprozeß entsteht auch – wir freuen uns darüber – eine Chance für eine neue Qualität der Beziehungen zwischen Rußland und der NATO. Dieses Zusammenwirken westlicher Staaten mit Rußland stellt ebenfalls eine gewaltige historische Veränderung dar. [ . . . ]

Die Bundesrepublik Deutschland wird sich neben ihrem militärischen Beitrag im Rahmen der multinationalen Friedenstruppe bei der Hilfe zum Wiederaufbau und der Rückkehr der Flüchtlinge im Rahmen ihrer Möglichkeiten beteiligen. [ . . . ] Aber – so füge ich hinzu das alles, was wir leisten wollen, ist nur möglich, wenn auch andere sich beteiligen, wenn wir zu einer fairen Lastenteilung unter den Europäern und anderen Beteiligten kommen. [ . . . ] Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gemeinsam mit unseren Partnern verfolgen wir im wesentlichen vier große Ziele mit dem Einsatz der internationalen Friedenstruppe:

Erstens: Wir müssen die kriegführenden Parteien voneinander trennen. Es muß versucht werden, das Wiederaufflammen militärischer Konflikte zuverlässig zu verhindern. Wichtig ist, schnell eine Lösung für die militärische Überwachung des in Dayton geschlossenen Abkommens zwischen Serbien und Kroatien zur Zukunft von Ostslawonien zu finden. [ . . . ]

Zweitens: Der so gesicherte Friede wird die Grundlage dafür, daß die Menschen- und Minderheitenrechte wieder respektiert und Teil der dort herrschenden Rechtsordnung werden. Unser ganz besonderes Anliegen ist dabei die Rückkehr von Flüchtlingen. [ . . . ] Wir dürfen nicht vergessen, daß die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte vor allem in Kosovo weiterhin eine zentrale Forderung an die Adresse Belgrads bleibt. Ein umfassender, ein gerechter Friede im ehemaligen Jugoslawien ist ohne eine gerechte Lösung in Kosovo auf Dauer nicht möglich.

Drittens: Die Anwesenheit der internationalen Friedenstruppe schafft ferner die Voraussetzungen für weiter notwendige humanitäre Hilfe und den Beginn des Wiederaufbaus. Der Friede kann nicht sicher werden, wenn die Menschen keine Nahrung, keine Wohnung und keine wirtschaftliche Zukunft haben.

Viertens: Die internationale Friedenstruppe soll nicht nur Frieden und Stabilität in Bosnien, sondern darüber hinaus für die ganze Region garantieren. Die Gefahr, daß der bosnische Konflikt mit seinen ethnischen und religiösen Wurzeln auf die angrenzenden Länder übergreifen kann, wird nur dann abgewendet, wenn dieses Ziel erreicht wird: Stabilität im ehemaligen Jugoslawien ist mit den vorhandenen riesigen Waffenarsenalen nicht denkbar. Deshalb haben wir, die Bundesrepublik Deutschland, uns besonders für ein umfassendes System vertrauensbildender Maßnahmen und für Rüstungskontrolle in diesem Raum eingesetzt. [ . . . ] Es muß jetzt gemeinsame Pflicht sein, das Abkommen von Dayton durchzusetzen, denn eine Fortdauer des Krieges würde neue Zerstörung schaffen, neues Leid und neues Elend hervorbringen. Hier liegt nicht zuletzt auch der Auftrag für die Soldaten unserer Bundeswehr: gemeinsam mit unseren Verbündeten, den Menschen im früheren Jugoslawien und den vielen Hoffenden in Europa den Glauben an eine bessere Zukunft zu geben, den Glauben an eine faßbare Chance des Friedens, den wir uns gemeinsam wünschen.«

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