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Bundespräsident Johannes Rau ruft zu mehr Toleranz gegenüber Einwanderern auf (12. Mai 2000)

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Einwanderung darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Wir brauchen gut durchdachte, praktikable Konzepte, die niemanden überfordern. Wir brauchen den Mut, das Richtige auch dann zu tun, wenn es nicht immer und überall populär ist.

Wir brauchen einen breiten Konsens über Integration und Zuwanderung. Darum bitte ich alle, die in unserer Gesellschaft Auftrag und Stimme haben: Streiten Sie über den besten Weg zu diesem Ziel. Aber so, dass weder Angst geschürt, noch Illusionen geweckt werden.

Wir brauchen auch europäische Abstimmung in der Migrationspolitik. Aber das darf keine Ausrede dafür sein, im eigenen Land nicht zu tun, was getan werden kann.

Viele ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger engagieren sich in unserem Land: in Organisationen und Vereinen, als Selbständige und Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen und Ausbildungsplätze anbieten. Dafür danke ich ihnen.

Ich möchte Sie alle ermutigen:

Beteiligen Sie sich am gesellschaftlichen Leben – in den Stadtteilen und den Schulen, in Gewerkschaften oder in Sportvereinen. Nur wenn möglichst viele mittun, werden wir den ganzen Reichtum erschließen können, der aus dem Zusammenleben von unterschiedlichen Menschen entstehen kann.

Mein dringender Appell ist: Lernen Sie Deutsch! Wenn wir miteinander leben, müssen wir einander verstehen. Wer in Deutschland aufwächst oder neu zu uns kommt, muss Deutsch sprechen und verstehen.

Die Förderung der Integration ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe allererster Ordnung. Wir müssen sie wirklich ernst nehmen. Sie sollte uns so wichtig sein, dass wir dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen.

Wir brauchen die Diskussion darüber, wie wir Einwanderung gestalten wollen und welche Regeln dafür nötig sind.

Ich wünsche mir ein vielfältiges und lebendiges Deutschland – friedlich und weltoffen.

Daran zu arbeiten lohnt jede Mühe.

Es kommt nicht auf die Herkunft des einzelnen an, sondern darauf, dass wir gemeinsam die Zukunft gewinnen.



Quelle: Johannes Rau, „Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben“, Berliner Rede im Haus der Kulturen der Welt am 12. Mai 2000. http://www.bundespraesident.de/Reden-und-Interviews/Berliner-Reden-,12090/Berliner-Rede-2000.htm

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