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Bundespräsident Johannes Rau ruft zu mehr Toleranz gegenüber Einwanderern auf (12. Mai 2000)

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Das bedeutet: Wir brauchen eine akademische islamische Religionslehrerausbildung, wir brauchen verlässliche islamische Partner, mit denen diese schwierigen Fragen erörtert werden können.

Unsere Verfassung baut auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Der Islam ist nicht wie eine Kirche strukturiert. Deshalb brauchen wir eine andere Form verlässlicher, institutioneller Kooperation mit den Muslimen in Deutschland. Wir brauchen auf der Grundlage unserer Verfassung eine Regelung, die den berechtigten Interessen der Mitbürger muslimischen Glaubens entspricht.

Worauf wir bestehen müssen, auch im Interesse aller Kinder, die hier leben, will ich klar sagen: In unseren staatlichen und privaten Schulen werden die Kinder – auch im Religionsunterricht – im Sinne der Grundwerte unserer Verfassung erzogen.


XIII.

Ich habe vorhin davon gesprochen, dass wir das Grundrecht auf Asyl, so wie es seit einigen Jahren neu gefasst worden ist, nicht zur Disposition stellen sollen.

Allerdings führt das geltende Recht in vielen einzelnen Fällen immer wieder zu Entscheidungen, die auch viele von denen für falsch und unvertretbar halten, die im Grundsatz für eine restriktive Asylpraxis eintreten. Ich bekomme viele Briefe, in denen sich Abgeordnete und Unternehmer, Schulklassen, Kirchengemeinden und engagierte Bürger gegen die Abschiebung von einzelnen Flüchtlingen einsetzen. Ich kann das oft sehr gut verstehen.

In den meisten Fällen stellt sich aber heraus, dass diesen Menschen nicht geholfen werden kann. Sie können nicht hier bleiben, weil das gegen geltendes Recht verstieße.

Ich frage mich, ob die Behörden nicht einen größeren Entscheidungsspielraum brauchten, damit sie der jeweils besonderen Situation besser gerecht werden können. Wer das auch will, muss im Parlament für entsprechende Änderungen eintreten. Meine Sympathie dafür hat er.


XIV.

Wir brauchen eine neue, gemeinsame Anstrengung für das Zusammenleben in unserem Lande. Wir müssen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und des politischen und staatlichen Handelns umdenken.

Wir müssen die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen, wenn wir sie erfolgreich gestalten wollen – ohne Angst und ohne Träumereien. Gelungene Integration ist in unserem eigenen, vitalen Interesse. Sie mobilisiert Kräfte, die wir für eine gute Zukunft brauchen.

Bestimmen wir klar unsere Interessen und Ziele.

Entscheiden wir, wie wir Integration gestalten wollen.

Legen wir realistische Ziele fest.

Bildung und nochmals Bildung – das ist die grundlegende Voraussetzung für jede Integration. Integration muss ein zentraler Bestandteil jeder Bildungspolitik werden.

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