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Bundespräsident Johannes Rau ruft zu mehr Toleranz gegenüber Einwanderern auf (12. Mai 2000)

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IX.

Wir können das Zusammenleben in unserem Land nicht dem Zufall überlassen. Die Anforderungen, die wir an uns selber stellen, und an die, die zu uns kommen, müssen gut durchdacht, besonnen diskutiert und klug festgelegt werden.

Wir müssen uns über die Bedingungen der Zuwanderung klar werden und wir müssen sie verbindlich regeln. Jeder muss wissen, was ihn erwartet und was von ihm erwartet wird.

Es wird gewiss nicht leicht sein, sich in diesen Grundfragen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verständigen. Aber wir dürfen diesen Themen nicht ausweichen. Wir müssen die Diskussion jetzt führen.

Die Regeln für Integration und Einwanderung müssen von den sozialen und wirtschaftlichen Interessen geprägt sein, die unsere Gesellschaft hat. Umso wichtiger ist es, zwei Dinge auseinander zu halten: Einwanderung und das Recht auf Asyl. Eine Einwanderungsregelung ist eigennützig, das Recht auf Asyl ist uneigennützig.

Wer sagt: Auf deutschem Boden können nicht alle Probleme dieser Welt gelöst werden, der hat Recht. Ich füge aber hinzu: Deutschland muss für Menschen, die um Freiheit, um Leib und Leben fürchten müssen, eine gute und eine sichere Adresse sein und bleiben.


X.

Wie immer wir künftig die Einwanderung regeln: Wir müssen gut vorbereitet sein – geistig, politisch und institutionell. Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass Menschen kommen, von denen wir etwas erwarten und die von uns etwas erwarten.

Vorbereitet sein müssen wir in vielen Bereichen.

Am wichtigsten sind Kindergärten, Schulen und Hochschulen.

Das sind die Orte, an denen sich entscheidet, ob Integration in unserem Land gelingt. Sie sind die Lernorte des Zusammenlebens und sie liefern gleichzeitig die Grundlagen dafür.

Im Alltag kann man sich abkapseln, in den eigenen Vierteln und unter sich bleiben. In der Schule kommt man unvermeidlich zusammen. Hier muss man mit anderen auskommen, ob man will oder nicht.

Die Schule der Nation ist die Schule. Hier zeigen sich alle Schwierigkeiten, die das Zusammenleben mit sich bringen kann, oft am deutlichsten.

Darum möchte ich all den Lehrerinnen und Lehrern ganz herzlich danken, die sich Tag für Tag damit auseinandersetzen müssen, dass unsere Gesellschaft so vielfältig und damit auch so schwierig geworden ist. Vor allem in den Grund- und Hauptschulen spüren sie hautnah, was in und was mit unserer Gesellschaft los ist.

In meinen Dank schließe ich alle ein, die in Kindertagesstätten, in den Jugendabteilungen der Vereine und in der offenen Jugendarbeit alltägliche Integrationsarbeit für uns alle leisten.

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