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Die Attraktivität der Metropole Berlin (6. Juli 2006)

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»Wachstumsmärkte sind der kreative Bereich, der Tourismus – und der Medizinbereich. Da kenne ich mich aus, ich besitze in Bayern eine Gruppe von Krankenhäusern. Nun bin ich dabei, in Berlin eine Klinik zu planen.«

Etwas Großes, versteht sich. Außerdem baut er sein Spreebogenareal um, das Hotel, die Gastronomie, ein Ärztezentrum. Macht zusammen 500 bis 600 Arbeitsplätze. Dazu kommt sein neues Großprojekt: das frühere Haupttelegrafenamt an der Museumsinsel. »Ich habe Helmut Jahn gebeten, die Planung zu übernehmen.« Den bekannten Chicagoer Architekten. »Solche Dinge würde ich nicht tun, wenn ich nicht an Berlin glauben würde.«

Das Berlin, das sich abzeichnet, ist eines nach der Industrie und nach den Subventionen. Und nach den Illusionen der neunziger Jahre. Es wird eine Stadt sein, die mit dem nachkriegsdeutschen Ideal der überall ähnlichen Lebensverhältnisse, ja der Gleichheit nichts mehr zu tun haben wird. Ein Teil Bangkok. Ein Teil Las Vegas. Ein Teil Tempelhof. Ein Teil Berlin, D.C. Und wenn es gut geht, ein Teil High Tech obendrein. Mit Leuten wie Professor Bernd Michel. Mit Herzzentren und anderen hochspezialisierten Kliniken, die reiche Patienten aus aller Welt anziehen. Mit Festivals, Opern und Luxushotels für die Abende und die Nächte. Und mit tätowierten Jungs aus der Vorstadt, die an der Terrasse des Adlon vorbeistromern und die Gäste anstarren und obszöne Bemerkungen machen. Ja, auch das. Das gibt es jetzt schon.

Das Aushalten der Gegensätze zwischen Arm und Schwerreich, Schrebergarten und place to be, absoluter Welt und absoluter Provinz, neuen Russen und alten Zehlendorfern, Anatoliern und Philharmonikern übt die Stadt seit sechzehn Jahren. Sie ist ganz gut im Training. Sie hat sich eine ordentliche Portion Lakonie und Gleichmut neu antrainiert, alte Berliner Tugenden.

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Es muss nicht rummelig zugehen wie in den Tagen der Fußballweltmeisterschaft, es kann ausgesprochen gutbürgerlich sein. Spielen nicht heute Abend die Philharmoniker in der Waldbühne? Die Berliner lieben diese jährlichen Sommerkonzerte auf ihre Art. Aus Picknickkörben holen sie gebratene Hähnchenteile, Rotwein und gute Laune hervor, wenn die Sonne untergeht und sich das Himmelsblau immer dunkler färbt, und dann, ganz am Ende, spielt das Orchester die Berliner Luft, und alles pfeift den schmissigen Refrain. Dann ist Berlin selig, ganz bei sich selbst, dann ist es Avustribüne und Sportpalastwalzer und Herbert von Karajan, alles auf einmal. Viva Las Vegas!



Quelle: Wolfgang Büscher, „Stadt der Spieler“, Die Zeit, 6. Juli 2006.

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