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Die Attraktivität der Metropole Berlin (6. Juli 2006)

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Hier draußen ist sogar noch Industrie. Alle sind nicht fort. Gero Wiese, der Geschäftsführer von Gillette, erklärt in seinem holzgetäfelten Besprechungsraum aus den dreißiger Jahren, wie das geht. Gillette ist eine deutsch-amerikanische Firma seit der Vorkriegszeit, heute gehört sie zu Procter & Gamble. Simpel gesagt, versorgt Boston die Bärte der westlichen und Berlin-Tempelhof die Bärte der östlichen Hemisphäre mit Rasierklingen. Jeweils gut tausend Leute arbeiten in diesen beiden Stammwerken. Auch Gillette verlagerte nach dem Mauerbau, wie viele Berliner Unternehmen, einige technische Abläufe nach Westdeutschland. Aber schon vier Jahre später, 1965, kehrte die Firma nach West-Berlin zurück. »Es war übertrieben, zu gehen.«

Und heute – die Globalisierung, die niedrigen Arbeitskosten in Osteuropa?

Wiese nickt. Sicher. Dann erklärt er die spezielle Situation seiner Firma. »Unsere Maschinen, die Rasierklingen herstellen, enthalten zwanzig Computer. Dafür brauchen wir hochqualifizierte Facharbeiter, die haben wir hier, in Osteuropa müssten wir erst langwierig welche heranbilden.«

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Die Regieanweisung für die letzte Begegnung lautet: Mitternacht. Penthouse, offene Tür zur Terrasse. Weiter Blick über Berlin. Weißwein. Ernst Freiberger sitzt am Tisch und denkt übers Leben nach, was zählt und was nicht, und über Berlin – was geht und was nicht.

Mit dem Leben ist es einfach. Als Freiberger viel, sehr viel erreicht hatte als bayerisch-berlinischer Unternehmer – sein Lebensmittelimperium verkauft, das riesige Areal am Spreebogen entwickelt, 150.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche, damals das größte Bauprojekt der Stadt, vermietet unter anderem ans Bundesinnenministerium –, da sagte er sich, jetzt gehe ich auf Reisen, ein Jahr lang. Es wurden dann zweieinhalb Jahre daraus: 1998 bis 2001. Er hat alle Kontinente besucht, neunzig Länder, hat Tagebuch geführt und über jede Reise ein Buch geschrieben. »Nur für mich.« Und – was zählt?»

Von meinen Reisen bleiben nicht der schönste Strand, die schönsten Frauen, das schönste Essen. Es bleiben Familie, Religion, Gastfreundschaft.«

Es bleibt ein Mann um die fünfzig, der mit seiner Firmengruppe jährlich Hunderte Millionen Euro umgesetzt hat und der sich nebenher um das Gespräch der Weltreligionen müht, deren Vertreter er alljährlich in seinen bayerischen Heimatort Amerang lädt, eine Frucht seiner Reisen.

Und was ist, was wird mit Berlin, seiner Wahlheimat seit bald dreißig Jahren?

»Ich bin kräftig dabei, in Berlin zu investieren.« Wenn er sich frage, wovon die Stadt leben solle, dann fielen Industrie und Finanzdienstleistungen ja wohl aus. Diese Claims haben sich andere Städte gesichert. Und so beschreiben die Berliner Unternehmungen des Ernst Freiberger den Horizont dessen, was hier eine Chance haben könnte.

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